Ihr wurde die Musik nicht nur sprichwörtlich in die Wiege gelegt: Ihr Vater, ein Musiklehrer, platzierte auf der einen Seite des Töchterchens eine Goldmünze, auf der anderen Seite eine Violine – und das Baby griff zum Instrument...
„Aber da hat er wohl ein wenig manipuliert und die Geige einfach dorthin gelegt, wo ich hinschaute“, relativierte Hertha Töpper die Episode einmal in einem Interview mit dem Intendanten August Everding. Allerdings habe sie tatsächlich schon früher Noten als Buchstaben gelernt, lieber mit Instrumenten als mit Puppen gespielt, und der Geige blieb sie treu. Allerdings nur bis 16. „Da meldete mich eine Freundin ohne mein Wissen bei ihrer Gesangslehrerin an. Da war es um mich geschehen“, verriet uns die Grazerin einmal.
Man kann der Schulkollegin nicht genug danken. Denn das war der Senkrechtstart einer Karriere, die ihresgleichen sucht. Und auch der Beginn einer großen Liebe, denn am Landeskonservatorium lernte Töpper den Direktor und Komponisten Franz Mixa kennen, den sie 1949 heiratete. Vier Jahre zuvor war ihr Bühnendebüt über Nacht gekommen: „Um 7 Uhr abends wurde ich von der Grazer Oper als Einspringerin für die Partie der Ulrica in Verdis ,Maskenball’ angefragt, und tags darauf sang ich die Wahrsagerin schon – frei nach dem Motto: Frechheit, steh mir bei!“
In den sieben Jahren in Graz lernte die Altistin ihr Kernrepertoire, das sich schließlich auf 70 Opern und 70 konzertante Werke ausweiten sollte – samt ihren Paraderollen Carmen in Georges Bizets Klassiker und Octavian im „Rosenkavalier“ von Richard Strauss.
Die Wärme, die Fülle und der Tiefgang ihrer Stimme mit dem unverwechselbaren Timbre sprach sich rasch weltweit herum. Töpper wurde 1951 für die ersten Wagner-Festspiele nach dem Krieg engagiert und sang unter Knappertsbusch und Karajan den „Ring“. 1952 wurde München ihre Wahlheimat, und der Bayerischen Staatsoper blieb sie ungeachtet ihrer Riesenerfolge von den Salzburger Festspielen über den Londoner Covent Garden bis zur New Yorker Met bis zu ihrem Bühnenabschied 1980 eng verbunden.
Töpper, als Professorin auch mit Passion für den Sängernachwuchs da, hatte nicht nur eine wunderbare, sondern auch eine wandelbare Stimme: „Mit machte es zum Beispiel nichts aus, am Nachmittag die Fricka in der ,Walküre’ zu singen und abends das Bach-Magnificat“. Den Juwelen des Barockmeisters gab sie auf Podien und in Studios meist mit dem großen Karl Richter Schliff, und wer etwa nachhört, wie innig sie das Agnus Dei in der H-Moll-Messe zu gestalten wusste, kann die Worte eines Verehrers nur allzu gut verstehen: „Ihr Singen ist Lieben“.
Wie jetzt bekannt wurde, ist Hertha Töpper am vergangenen Samstag drei Wochen vor ihrem 96. Geburtstag verstorben. Die Grande Dame der Oper, die zuletzt in einem Altersheim wohnte, wird auf dem Waldfriedhof Solln im Süden Münchens im engsten Familienkreis verabschiedet.
Michael Tschida