Der Fall ist klar: Katharina Blum (Yvonne Klamant) hat den Journalisten Tötges erschossen und die Tat gestanden. Der Frage, wie es dazu kommen konnte, dass die gut situierte junge Frau eine solche Tat begeht, geht Regisseur Kristo Sagor in seiner eigens entwickelten Bühnenfassung von Heinrich Bölls 1974 erschienener Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ nach.
Zwischen 70er-Jahre-Optik und unheilvollen Klängen (Musik: Felix Rösch) wird erörtert, wie reißerische Zeitungsartikel, Fake News und eine empörte Öffentlichkeit das Leben einer Person in nur wenigen Tagen verändern können. Sagor verzichtet darauf, die Geschichte in die Gegenwart zu verlagern, und zeigt, dass Hetze und Rufmord auch schon vor Social Media das Zerbrechen eines Menschen zur Folge haben konnten.
Nur einzelne kleine Hinweise, wie ab und zu ein unauffälliges Checken der Nachrichten am Handy, geben Hinweise darauf, dass die Geschichte aktueller ist denn je. In einem Mix aus Nacherzählung und Eintauchen in Schlüsselszenen bringen die sechs Darsteller dem Publikum Schritt für Schritt Katharinas Geschichte näher. Die verschiedenen Rollen, in die die Schauspieler schlüpfen, übernehmen sie mit viel Emotion und Liebe zum Detail; Intuitionen und Sichtweisen der Charaktere werden so für das Publikum spürbar.
Sich im Theater nur berieseln zu lassen, ist hier schwer möglich. Wer die Handlung ganz und gar erfassen möchte, muss mitdenken und mitfühlen, kann dadurch aber umso stärker in die Tragik der Geschichte eintauchen.