Wagner an der Volksoper gibt es nicht alle Tage. Den "Fliegenden Holländer" etwa spielte man zwischen 1908 und 1938 zwar 146 Mal, aber das ist ja nun auch schon eine Weile her. Für die 147. Aufführung am Gürtel in der Neuinszenierung von Aron Stiehl hat man sich Wagnerfähiger Stimmen vergewissert: Mit Markus Marquardt als Holländer und Meagan Miller als Senta holte man sich erprobte Solisten vom Fach ans Haus und steuerte mit dem großartigen Stefan Cerny als Daland den eindrucksvollsten Part aus dem eigenen Ensemble bei.
Marc Piollet ist ihnen am Pult des Volksopernorchesters ein erstaunlich guter Begleiter. Erstaunlich, wenn man das Volumen bedenkt, mit dem er sein Orchesterschiff ab dem ersten Takt durch die aufgewühlten Meere des frühen Wagner'schen Klangkosmos lenkt. Wer im Fortissimo beginnt, tut sich mit dramatischen Steigerungsbögen naturgemäß schwer. Mit voller Kraft und gänzlich charmebefreit dagegen zu halten haben vor allem die Choristen. Den lyrischen Passagen der Solo-Parts wird dagegen gnädig Luft gelassen. Benötigt vor allem von Meagan Miller, mit deren zauberhaft phrasierender Sopranstimme im derben Kräftemessen eher unschöne Dinge passieren.
Nun war tags zuvor Weltfrauentag, und dazu passt der "Fliegende Holländer" natürlich wie die Faust aufs Auge. Vater verkauft Tochter an gruseligen Seefahrer, und für sie geht damit ein romantischer Traum in Erfüllung. Man dürfe Senta, merkte Wagner an, "nicht im Sinne einer modernen, krankhaften Sentimentalität" auffassen, stattdessen sei sie einfach "naiv". Na dann.
Regisseur Aron Stiehl hält sich da raus. Er begreift den "Holländer" eigenen Angaben zufolge als abstrakte "Seelenlandschaft", was zur Folge hat, dass dort der jeder mit seiner Seele auf sich allein gestellt ist. Stiehl baut szenische Spannungsfelder, aber keine Interaktionen, aus einem psychologischen Verständnis wird ein monologisches Verfahren: frei von der Rampe weg.
Mit Ausnahme der "Meistersinger" gab es Wagner an der Volksoper in den jüngeren Jahrzehnten vor allem im Parodieformat. Loriots "Ring an einem Abend" zum Beispiel, oder "Tannhäuser in 80 Minuten", beide getragen vom musikvermittlerischen Schlitzohr und Hausherren Robert Meyer. Es ist legitim und für das Haus vielleicht auch wohltuend, sich an Wagner nun auch einmal in Echtzeit zu messen - und das Publikum dankte es mit viel Applaus, nicht zuletzt für die Hausdebütanten, darunter Tomislav Muzek als eindringlicher Erik und Marquardt, robust, wenn auch in den Höhen nicht ganz überzeugend in der Titelrolle. Kernrepertoire für den Gürtel wird daraus nicht.