Acht Mal Kasimir und acht Mal Karoline: Auf eine klassische Version des 1932 uraufgeführten Stücks von Ödön von Horvath verzichten Abigail Browde und Michael Silverstone bei ihrer Neuinszenierung bei den Salzburger Festspielen Freitagabend im Großen Studio der Universität Mozarteum. Die US-Künstler, die sich auf partizipatives Theater mit Laien spezialsiert haben, besetzen viele Hauptfiguren der Arbeiterballade, die vor der Kulisse des Münchner Oktoberfests angesiedelt ist, mit Laien. Der jüngste Kasimir-Darsteller ist 13 Jahre alt, der älteste gecastete nicht professionelle Schauspieler 76 Jahre alt.

Ziel des Duos: Das die depressive Zeit zwischen Weltwirtschaftskrise und Nationalsozialismus sezierende Volksstück ein Stück weit dem Volk zurückzugeben. Mit der Auswahl des Ensembles gelang ihnen das wunderbar: ein hübsch anzusehender Mix aus Herkunft, Alter, Kostümen, Typen und Generationen.

No-Future-Generation

Der Text wurde zunächst ins Englische übersetzt und danach wieder, entkernt und ernüchternder als im Original, ins Deutsche übertragen. Dabei opferten Browde und Silverstone mithilfe von Sasa Celecki auch einige (männliche) Figuren und stärkten, im Sinne der Transformation in die Gegenwart, auch den emanzipatorischen Charakter der Frauenrollen.

An die Einbegleitung der Szenen im Karoline-und-Kasimir-Wimmelbild muss man sich erst gewöhnen. Erzähler treten auf, beschreiben das Szenario, die Emotionen. Sprechen von dem titelgebenden Braut- und Noch-Liebespaar in der dritten Person. Das verwirrt zunächst, bestärkt aber die Distanz, die die Regie zu Ödön von Horvath und österreichischer Zwischenkriegsgeschichte hat und sie in dieser Bühnenversion umsetzt - und entwickelt langsam einen faszinierenden Sog in der Vergeimein- und Vergesellschaftung dieser persönlichen Paarkrise. Die sprachliche Schärfe, mit der Horvath, die damalige No-Future-Generation zwischen technischem Fortschritt (der kreisende Zeppelin über dem Oktoberfest) und Aussichtslosigkeit, zwischen ökonomischen Abhängigkeiten und romantischen Idealen so eindringlich skizzierte und damit auch die präzise Zustandsbeschreibung der Gesellschaft, sie fehlt in dieser Neuinszenierung.

Die Bühne war nüchterner als alkoholfreies Bier: Ein riesiger Tanzboden mit Holzgeländer und vielen Türen darin ließ das Publikum teilhaben an der von Zweifeln geplagten Abstiegsgeschichte von Kasimir, dem entlassenen Kraftwagenfahrer, der sich sorgt, dass seine Braut Karoline ihn nun verlässt. Sie flüchtet vor den Problemen, der melancholisch krisengebeutelten Zukunft, in verführerische Möchtegern-Abenteuer, von denen sie sich einen Aufstieg erhofft. Er bleibt ihr verwehrt. Wie die Liebe. Oder das Geld. Oder die Anerkennung. Oder der Applaus der Oktoberfest-Gemeinde.

Am Ende bleiben Kasimir und Karoline mit anderen Partnern übrig. Ein Happy End sieht anders aus. Liebe vermutlich auch. Davor tanzte die Festgemeinde nach einer mitunter langatmig inszenierten Premiere auf Müllbergen, die sie danach auch noch brav aufkehrte. Einige Buhrufe und braver Beifall.

Sehen Sie hier einen Blick hinter die Kulissen und Eindrücke vom Casting zu "Kasimir und Karoline"