Auf das Opernerlebnis wirkt sich die Kulisse jedoch seltsam wenig aus. Das Ensemble könnte genauso gut in einem Sägewerk oder sonst wo platziert sein. Die gesangliche und musikalische Darbietung stehen im Vordergrund. Und das wird vom Publikum bei der Premiere der "Walküre" bei den Bayreuther Festspielen am Sonntag honoriert.

Kommt das "Rheingold" wie ein schrilles Mafia-Musical daher, startet die "Walküre" erstaunlich reduziert. Im Fokus des ersten Aktes: das Aufeinandertreffen der Zwillinge Sieglinde (Camilla Nylund) und Siegmund (Christopher Ventris). Siegmund, auf der Flucht vor seinem Intimfeind Hunding (Georg Zeppenfeld), landet bei Unwetter just in dessen Haus. Für das Orchester unter der Leitung von Marek Janowski ein furioser Auftakt. Pauken und Blechbläser geben ein bedrohliches Donnergrollen und Blitzgewitter ab.

Hundings unglückliche Frau Sieglinde reicht dem ihr - noch - Unbekannten etwas zu Trinken. Und das gefühlvolle Cello-Solo kündigt die sich anbahnende Liebe der beiden an. Dass sie Geschwister sind, erkennen sie erst später. Für seine eindringliche Darbietung wird das Duo Nylund und Ventris am Ende des sich etwas in die Länge ziehenden ersten Aktes von den Zuschauern stürmisch gefeiert. Nylund ist der Publikumsliebling. Der im vergangenen Jahr bejubelte Georg Zeppenfeld als Hunding bleibt erstaunlich unauffällig.

Die Stars des Abends sind eindeutig: Catherine Foster als Brünnhilde und John Lundgren als deren Vater Wotan. Im weitaus schwungvolleren zweiten Akt steht die brüchige Vater-Tochter-Beziehung im Vordergrund. Die Sopranistin Foster gilt nicht ohne Grund als eine der besten Brünnhilde-Sängerinnen. Mit ihrer Stimmgewalt und Bühnenpräsenz wird sie wohl als die zentrale Figur des Abends in Erinnerung bleiben. Bisweilen singt sie das furios aufspielende Orchester an die Wand. Lundgren beeindruckt als Wotan und ist Foster ein ebenbürtiger Gegenpart.

Wild wird es im dritten Akt, als die Walküren kess lachend durch die Kulisse wirbeln und dabei Walhall aufmischen, den Ort, an den sie gefallene Kriegshelden bringen. Im Kollektiv entfalten die Walküren eine große gesangliche Wucht - zumal begleitet von Wagners berühmtem, fanfarenartigen Walkürenritt. Leidenschaftlich und temperamentvoll spielt das Orchester unter Dirigenten-Altmeister Marek Janowski, der in seiner zweiten Saison in Bayreuth am Pult steht und vom Publikum zu Recht gefeiert wird.

Der "Ring des Nibelungen" in der umstrittenen Inszenierung von Regie-Provokateur Castorf ist im fünften und letzten Jahr bei den Wagner-Festspielen zu sehen. Auch bei der "Walküre" zeigt er das Geschehen parallel auf Leinwänden - als Schwarzweiß-Sequenzen wie zur Stummfilmzeit. Angesichts der sowieso schon gigantischen Kulisse lenken die Videoaufnahmen eher ab und geben bisweilen Rätsel auf.

2018 sollte eigentlich eine "Ring"-freie Saison werden. Jedoch verkündete Komponisten-Urenkelin Katharina Wagner dieser Tage eine Überraschung: Im kommenden Jahr soll es noch drei Aufführungen der Castorf'schen "Walküre" geben, musikalisch geleitet von Spaniens Opernstar Placido Domingo. Das ist auch deshalb überraschend, weil damit nur eine der vier "Ring"-Opern und nicht der gesamte Zyklus aufgeführt wird. Das hat es in der Geschichte der Festspiele noch nicht gegeben. Eigentlich ein Sakrileg.

Die nächste Premierenvorstellung bei den Bayreuther Festspielen gibt es am Dienstag mit "Siegfried", dem dritten Teil des "Ring".