Tomas Zierhofer-Kin, Neo-Intendant der Wiener Festwochen, setzte mit der Präsentation seines ersten Festivalprogramms ein Zeichen - stellte er die am 12. Mai startende Ausgabe am Donnerstag doch im Flüchtlingshotelprojekt Magdas vor. Thematisch passt dazu auch der Inhalt der bis 18. Juni projektierten Festwochen 2017, deren Übermotto lauten könnte: Performance, Performance, Performance.
Besonders wichtig sei ihm dabei das Abrücken von einer eurozentristischen Sicht, unterstrich der 48-jährige Zierhofer-Kin: "Was uns vorschwebt ist eine vielperspektivische Herangehensweise." Sein Zeil sei, möglichst viele unterschiedliche Genres und Künstler nach Wien zu bringen. "Wie können wir es als Stadtfestival schaffen, möglichst viele Menschen geistig zu verorten?", sei die Grundfrage. In einer Welt, die sich albtraumhaft tagtäglich zum Negativen verändere, müsse die Aufgabe eines großen Kunstfestivals neu definiert werden.
Drei neue Schienen
Zu den drei neuen Schienen gehört die Diskurssektion "Akademie des Verlernens" mit frei zugänglichen Vorträgen und Aktionen sowie das Performeum auf einem ÖBB-Gelände in Wien-Favoriten, bei dem temporär unterschiedliche Performance-Sparten beleuchtet werden sollen - inklusive das mit queerer Identität und Ästhetik arbeitende "House of Realness", dessen Programm noch nicht fixiert ist. Das verbindende Element all dieser Projekte, die viele afrikanische Künstler erstmals nach Wien oder gar Europa bringen, sei "Kunst als Tool einer Selbstermächtigung", so Zierhofer-Kin.
"Wir wollen in den Raum eindringen, in dem Menschen alltäglich leben." Deshalb geht man mit der "Akademie des Verlernens" in Einkaufszentren und bespielt Locations wie Franz und Gloria, Favoriten oder das stadträndige Schloss Neugebäude. In letzterem gibt es mit "Hyperreality" ein kleines Subfestival für Clubkultur als dritte neue Schiene. "Club als eine Theaterbühne, auf der Gesellschaft verhandelt wird", sei hier die Grundidee, umriss Zierhofer-Kin das Prinzip, das nicht das einzige musikalische Element der Festwochen 2017 darstellt. "Musiktheater ist uns ein großes Anliegen - aber in einer Form, die Wien braucht", verwies der neue Festwochen-Chef auf Arbeiten wie die Zusammenarbeit von Jonathan Meese und Bernhard Lang für die Spaceopera "Mondparsifal Alpha 1-8 (Erzmutterz der Abwehrz)".
Die zumindest für heuer abgesagte Kooperation mit dem Konzerthaus respektive dem Musikverein beim Musikfest und den Festwochen-Konzerten ist indes noch nicht völlig Geschichte. "Ich denke, dass die Form, wie dieses Musikfest auch inhaltlich abgelaufen ist, nicht mehr das ist, was es in Wien braucht. Das ist wie Eulen nach Athen tragen", so Zierhofer-Kin. Aber man führe Gespräche für 2018: "Es ist nicht so, dass es das nicht mehr geben wird - aber in dieser Form nicht mehr."
Publikum erweitern
Angst, die reiferen Zuschauer mit seiner Programmierung zu verlieren, hat Zierhofer-Kien nicht: "Es geht nicht darum, ein Publikum zu verändern, sondern zu erweitern." Und bei allem gedankenschweren Impetus für die Festwochen rief er doch das Motto aus: "Frohes Fest."
Auch stilistisch sind die neuen Zeiten am Markenauftritt sichtbar. Von den WIENER FestWOCHEN ist nur mehr das ikonografische W geblieben, respektive FEST in Majuskeln, wie Wolfgang Wais, Geschäftsführer des Festivals, vorstellte. Das Budget liege bei 13 Millionen Euro - bei einer Subvention von 10,5 Millionen. Die Zahl der Karten liege bei 40.000. "Das ist es weniger als in den vergangenen Jahren - weil es einfach viele niederschwellige Produktionen bei freiem Eintritt gibt", so Wais. Die Gesamtbesucherzahl solle sich dementsprechend nicht reduzieren, sondern nach Möglichkeit sogar wachsen.
Und schließlich gab Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) dem neuen "Steuermann" am Rad des Festivaltankers sein Geleit und versicherte Zierhofer-Kin seine Unterstützung: "Das Neue braucht Freunde."