Bereits mit Ende 30 wähnte sich der Kabarettist und Schauspieler Josef Hader in einem Alter, "in dem andere Männer sich kleine rote Sportwagen kaufen" und er "etwas ausprobieren will, von dem ich nicht weiß, ob ich es kann": Regie führen. Nun, wenige Tage vor seinem 55. Geburtstag, zeigt er endlich, dass er's kann: Sein Regiedebüt "Wilde Maus" läuft im Wettbewerb der 67. Berlinale.
Am 11. Februar feiert die Tragikomödie um einen entlassenen, narzisstischen Musikkritiker auf Rachefeldzug Weltpremiere in Berlin, am 14. Februar dessen Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller seinen Geburtstag. Im Rennen um den Goldenen Bären steht Hader arrivierten Regiegrößen wie Aki Kaurismäki und Volker Schlöndorff gegenüber - ein beachtlicher Regieeinstand für Österreichs wohl bekanntesten Kabarettisten, der hierzulande als Schöpfer des Stoascheißer-Karl, Brenner und "Aufschneider" verehrt wird. Es hat sich also nicht nur für Hader persönlich gelohnt: "Das war wirklich die aufregendste Zeit, seit ich mit 20 auf einer Kabarettbühne gestanden bin."
Bauernbub
1962 im oberösterreichischen Waldhausen geboren, verbringt Hader seine Kindheit und Jugend im niederösterreichischen Nöchling, auf dem Bauernhof der Eltern und im Stiftsgymnasium Melk. Bei ersten kritischen Nummern über Lehrer in der Schule versteht er nach eigenen Angaben "das Wesen von Kabarett". Einige Jahre und ein abgebrochenes Lehramtsstudium Germanistik und Geschichte später, steht er ab 1982 auf der professionellen Kabarettbühne.
Den Durchbruch bringt das vierte Programm "Biagn oder Brechen" (1988); für das Folgeprogramm "Bunte Abend" (1990) erhält Hader den Deutschen Kleinkunstpreis. Den kabarettistischen Einakter entwickelt er in weiterer Folge zu einem Monolog weiter: 500.000 Zuschauer hat "Hader Privat" (1994) im deutschsprachigen Raum, legendär wird sein "Topfpflanzen"-Lied. Das nachfolgende Programm "Hader muss weg" beinhaltet dann schon mehr Schauspiel, ist ein launiges Rollenspiel über die Schattierungen der österreichischen Seele. Anders als bei vielen Kabarettkollegen setzt Hader eben nicht auf politisches Nummernkabarett, sondern stellt unauffällige, fehlbare Menschen ins Zentrum. Seit 2011 tourt er mit "Hader spielt Hader", einer Art Best-Of mit Geschichten und wortwitzig-morbiden Liedern der letzten fünf Programme; diesen Frühling tritt er u.a. in Wien, Salzburg und München auf.
Erfolg im Kino und im TV
Das lange Warten der Fans auf ein neues Programm ist Haders zunehmendem Erfolg in Film und Fernsehen geschuldet. 1993 wird sein gemeinsam mit Alfred Dorfer geschriebenes, satirisches Stück "Indien" verfilmt und erreicht in Österreich schnell Kultstatus. Auf die Rolle des kleinbürgerlichen Heinz Bösel folgt 2000 jene des frühpensionierten Postbeamten und Opportunisten Werner Kopper in Florian Flickers Kammerspiel "Der Überfall", für den Hader gemeinsam mit seinen Co-Stars Roland Düringer und Joachim Bißmeier den Darstellerpreis beim Filmfestival Locarno erhält.
Im selben Jahr schlüpft Hader für die Verfilmung des Wolf Haas-Romans "Komm, süßer Tod" erstmals in die Figur des Privatdetektiven Simon Brenner und schreibt gemeinsam mit Haas und Regisseur Wolfgang Murnberger auch das Drehbuch. Auch beim Fernsehzweiteiler "Der Aufschneider" (2010) von David Schalko schreibt Hader am Drehbuch mit, verkörpert kongenial den grantigen Chefpathologen Fuhrmann. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Schalko setzt sich auch in "Wie man leben soll" (2011) fort.
Eine andere Seite
Erste Anerkennung fernab der Komik erhält Hader für die Figur eines schulderfüllten Vergewaltigers in Nikolaus Leytners Drama "Ein halbes Leben" (2009), für die er den Deutschen Fernsehpreis und den Grimme-Preis bekommt. Für Leytner steht Hader auch für den Oberösterreich-Landkrimi "Der Tote am Teich" (2015) vor der Kamera, dem mit durchschnittlich 840.000 Sehern bisher erfolgreichsten Krimi der ORF-Reihe.
Seine bisher wohl prägendste - weil auch überraschendste - Schauspielarbeit ist jene in Maria Schraders viel beachtetem Episodenfilm "Vor der Morgenröte" (2016). In seiner ersten historischen Rolle verkörpert Hader, der sich selbst als "keinen richtigen Schauspieler" sieht, den österreichischen Schriftsteller Stefan Zweig, der sich Ende der 30er-Jahre im sicheren Exil weiß, aber als überzeugter Pazifist am Untergang Europas zerbricht. Die Wahl auf Hader, der zumeist auf sarkastische Rollen gebucht wird, scheint ungewöhnlich, erweist sich aber "als Glücksfall", wie nicht nur "Die Zeit" konstatiert - "weil die Notwendigkeit, alle Erwartungen an einen Hader-Auftritt zu unterlaufen, eine auf hochgradig kontrollierte Weise von sich selbst entfremdete Performance ermöglicht".
"Kerzerlschlucker"
Gespräche zum Film, der von Österreich ins Rennen um den Auslandsoscar geschickt wurde, nutzt der geschichtsbegeisterte Hader dann für gewohnt pointierten, wohlüberlegten politischen Kommentar, auch über die Grenzen Österreichs hinaus. Rund um die Bundespräsidentschaftswahl 2016 warnt er in der "Süddeutschen Zeitung" vor dem "Kerzerlschlucker" Norbert Hofer und dessen Partei FPÖ. "Jetzt ist gefühlt eine Vorkriegszeit. Und die Populisten bemühen sich um eine Endzeitstimmung." Seit jeher engagiert sich Hader auch sozial, etwa als Gründungsmitglied des Vereins "SOS Mitmensch", dessen Vorsitz er 1995 für zwei Jahre übernahm.