Mit untrüglichem Gespür für den auratischen Ort hat er ihn sich gesichert: den „Schauplatz, wie er auf der Welt nicht noch einmal zu finden ist“, Salzburgs Domplatz. In der barocken Außenfassade des Kirchengebäudes mit ihrem voluminösen Figurenschmuck erkannte Festivalgründer Max Reinhardt einst das ideale Bühnenbild für das Stück vom Sterben des reichen Mannes, das seit 1920 die Festspielgeschichte prägt.

Mit seiner „Jedermann“-Inszenierung in brandneuer Besetzung beruft sich der kanadische Regisseur Robert Carsen ab heute gewissermaßen auf Reinhardt:  „Wir wollen die Kraft des Gebäudes nutzen“, kündigte er vorab an. Er wolle mit seinem Ko-Bühnenbildner Luis Carvalho den Dom als Kulisse verwenden, anstatt – wie in den Inszenierungen der letzten Jahre immer wieder praktiziert – ein anderes Bühnenbild vor ihn hinzubauen. Carsen: „Es ist, als wäre der Dom selbst eine weitere Figur.“

Dabei könnte man auch ohne den Dom als Mitspieler die Personage von Carsens Inszenierung durchaus üppig nennen: Bei einer großen Partyszene werden heute Abend rund 90 Personen auf der Bühne sein. Gedränge ist nicht zu erwarten, die Bühne hat seit jeher Cinemascope-Format. Und passt damit zum Maximalismus der Inszenierung, den man nach Veröffentlichung der Probenbilder erwarten darf: Eine goldglänzende Luxuslimousine ist darauf ebenso zu sehen wie Massenszenen mit Paparazzi-Rotte und neureiches Nightclub-Chichi mit Discokugeln.

Auseinandersetzung vor der Gold-Limo: Philipp Hochmair als Jedermann, Kristof van Boven als Mammon
Auseinandersetzung vor der Gold-Limo: Philipp Hochmair als Jedermann, Kristof van Boven als Mammon © Monika Rittershaus

 „Jedermann“ und seine Buhlschaft sind überhaupt in glitzernden Brokat gekleidet. Auch das lässt sich vorab als größtmögliche Kehrtwende zur gar zu beklemmenden Klimakatastrophen-Dystopie deuten, die Michael Sturminger im Vorjahr inszenierte und die ihre Premierensaison nicht überdauerte. Die neue Salzburger Schauspiel-Chefin Marina Davydova setzte sie kurzerhand ab. Schließlich soll der „Jedermann“ die Massen anlocken und nicht abschrecken – in der Hinsicht stehen auch die mit gut 75 Millionen Budget an sich wohlbestallten Festspiele unter beachtlichem Druck.

Die Cash Cow muss funktionieren

Für die Titelrolle bringt Philipp Hochmair dank seinem Soloprojekt „Jedermann reloaded“ sowie als einstiger Einspringer auf dem Domplatz nicht nur bereits einige Rollenerfahrung mit. Sondern auch einer der wichtigsten Erfolgsvoraussetzungen für das Stück, das mit jährlich 35.000 aufgelegten Tickets als Cash Cow der Salzburger Festspiele einwandfrei funktionieren muss: Breitwand-Charisma.

Sorgen bereits vorab für ausverkaufte Vorstellungen: Philipp Hochmair als Jedermann, Deleila Piasko als Buhlschaft
Sorgen bereits vorab für ausverkaufte Vorstellungen: Philipp Hochmair als Jedermann, Deleila Piasko als Buhlschaft © APA

Tatsächlich sind laut Ticketinfo der Festspiele heuer sämtliche Vorstellungen bereits ausverkauft – wer da noch dabei sind will, muss auf Retouren hoffen. Oder auf das nächste Jahr. Auch da wird Carsens Inszenierung (voraussichtlich) in selber Besetzung zu sehen sein, mit Hochmair und der Schweizerin Deleila Piasko als Buhlschaft. Rund um die „kleinste größte Rolle der Welt“ gab es heuer übrigens eine scheinbar nebensächliche, aber nicht unwesentliche Neuerung: Quasi seit Menschengedenken war dem Kleid der Buhlschaft in Salzburg ein eigener Pressetermin gewidmet. Diesmal nicht. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass ernstgenommen wird, worauf es der Schauspielerin, wie sie vorab erklärte, in ihrer Rolle ankommt: „Dass es weniger um die Verpackung geht als um den Inhalt.“