Es war ein ereignisreiches und international extrem erfolgreiches Jahr für den österreichischen Spielfilm. Das färbt auf den Wettbewerb der Diagonale ab. Zu sehen sind viele Filme, die bereits von Cannes bis Venedig Premiere feierten, Auszeichnungen einheimsten und schon im Kino zu sehen waren. Inklusive Wiedersehen bei der Diagonale in Graz - im Wettbewerb und im Jahresrückblick. Viele von diesen internationalen Koproduktionen oder kleinen Debüts haben heuer Chancen auf den Großen Diagonale Preis. Die fiktionale Palette ist extrem breit, die Genres reichen von Horror bis Historiendrama, von Coming-of-Age-Story bis semi-dokumentarisches Leinwanddenkmal für eine ewige Tochter. Es bleibt heuer besonders spannend. Morgen Abend wissen wir, wer bei der Jury am besten ankam. Im Kino liefen bereits u.a. Marie Kreutzers viel beachtete und vielfach prämierte Sisi-Neuinterpretation "Corsage", Adrian Goigingers persönlicher, im Kino erfolgreicher Film "Der Fuchs" über einen Wehrsoldaten im Krieg, das mutige Sci-Fi-Debüt "Rubikon" von Leni Lauritsch, David Eismayers mehrfach preisgekrönter Film "Eismayer" über eine Liebe beim Bundesheer, Peter Hengls Genre-Trip "Family Dinner", Clara Sterns queeres Eishockey-Coming-of-Age-Drama "Breaking the Ice", Tizza Covis und Rainer Frimmels Film "Vera" und Chris Raibers tieftraurige U-Bahn-Love-Story "Sterne unter der Stadt" sowie Ulrich Seidls heftig debattierter Film "Sparta" - der ebenso im Wettbewerb läuft, wie "Böse Spiele", die Schnittversion, die "Sparta" und den Diagonale-Vorjahressieger "Rimini" kombiniert.
Daneben zeigte die Diagonale jede Menge Uraufführungen und österreichische Premieren, wir haben sie in aller Kürze zusammengefasst.
Wer wir einmal sein wollten
Typisch österreichisches, aber ausgefeiltes Coming-of-Age-Drama von Filmakademie-Absolvent Özgür Anil: Anna (Anna Suk) jobbt in einer Schauspielschule und träumt vom Jus-Studium. Dann taucht ihr Bruder Patrick (strizzihaft, großartig und beim Max Ophüls Preis ausgezeichnet: Augustin Groz) auf und das Gspusi mit Konstantin wird kompliziert. Es läuft nicht so, wie sie sich das vorgestellt hat. Unaufgeregtes und bis in die Nebenrollen (Maya Unger, Michael Fuith) toll besetztes Debüt über geplatzte Träume, komplizierte Typen und die Suche nach sich selbst.
Samstag 18 Uhr, Annenhof Kino 6 und online bis 26. März im Kino VOD Club
Die Vermieterin
Die ganze Partie: großartig unsympathisch in Sebastian Brauneis‘ morastiger Gesellschaftssatire, in der Wohnungsnot und Gier nicht unbedingt, ins Verderben, aber in die Verdorbenheit führen. Rund um Margarethe Tiesel, Marlene Hauser, Lukas Watz entspinnt sich ein köstlicher und schriller Thriller mit giftigem Happy End. Sehr lustig.
Sonntag 17.30 Uhr, Kiz Royal.
Razzennest
Aberwitzige Horrorkomödie, Satire auf den Filmbetrieb, aber auch nerdig-nervenaufreibende Text-Bild-Schere: Johannes Grenzfurthner will viel, manchmal zu viel. Während die Kamera über Marterl, verlassene Höfe, eine Henne Waldböden und Felder fährt, hört man einen Regisseur und eine Kritikerin einen Audiokommentar zu einem gedrehten Film über die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges sowie die sogenannten Schwedenlöcher aufnehmen. Bis Bilder und Sound im referenzlastigen Film im Film mit katholischem Überbau kollidieren. Nebst der Österreichpremiere des in Texas uraufgeführten Films feierte das Kunstkollektiv monochrom ihr 30-jähriges Bestehen. Mit "Razzennest"-Holzkreuzen.
Menuett
Hans Broich hinterfragt gefinkelt anhand Louis Paul Boons Roman (1955) die Deutungshoheit, den Wahrheitsanspruch und das Patriarchat. Die Dreiecksgeschichte zwischen einem Ehepaar und seiner Dienerin verlegt er in eine Hipster-Wohnung in Berlin. Drei Menschen, drei Stimmen, drei Perspektiven – und viel Widerspruch. Notizen, Romanauszüge, Weltanschauungen und Referenzen überlagern sich. Klug, aber sehr verkopft.
Heimsuchung
Alkoholkranke Mutter versucht nach selbstverschuldetem Unfall wieder einen Draht zu ihrer Tochter zu finden. Was beginnt wie ein Psycho- oder Sozialdrama, mutiert in Achmed Abdel-Salams souveräner Erzählung alsbald zum Horrortrip mit gut gesetzten Schockeffekten. Eine der positiven Überraschungen dieser Diagonale. Kinostart: 14. April.
Alma & Oskar
Heute existiert ein Wort für ihre Beziehung: toxisch. Dieter Berner erzählt in der opulenten Historienverfilmung nach Hilde Bergers Roman „Die Windsbraut“ von Alma Mahler (Emily Cox) und wie sie den Kunst-Enfant-terrible und eifersüchtigen Machtmenschen Oskar Kokoschka (Valentin Postlmayr) zunächst verführt und sich später von ihrem Status als Muse emanzipieren will. Brav und solide inszeniert.
Samstag 18 Uhr, Sonntag 11 Uhr, KIZ Royalkino.
I Am Here!
Diagonale-Dauergast Ludwig Wüst ist ein so langsamer wie eindringlicher Erzähler, das zeigt sich auch in diesem schönen, intensiven Film um die Kindheitsfreunde Monika und Martin (großartige Improvisationsleistung von Martina Spitzer und Markus Schramm), um frühe Traumata und die Rastlosigkeit, die sie bewirken. Ein Glanzstück des ausgedehnten Wüstschen Œuvre.
Mermaids Don’t Cry
Supermarktkassierin Annika sehnt sich nach glitzerndem Meerjungfrauen-Glamour, weg aus ihrem ranzigen Alltag. Franziska Pflaum hat mit ihrem Debüt einen Feelgood-Film gedreht, von den Schauspielstars Stefanie Reinsperger und Julia Franz Richter so souverän getragen, dass man alle Flossen streckt und sich seinem bunten Zauber gern ergibt. Kinostart: 30. Juni.
Dunkle Wasser
Für gewöhnlich gehört die Uraufführung eines neuen ORF-Landkrimis zu den Fixpunkten der Diagonale.Mit dem spannungsgeladenen 90-Minüter "Dunkle Wasser" entsenden die Regie-Brüder Arman und Arash T. Riahi („Die Migrantigen") ein brandneues Ermittlerteam auf Spurensuche. Die Handlung findet ihren Ursprung in den kalten Tiefes des Salzburger Mattsees, aus dem der leblose Körper der 17-jährigen Elena geborgen wird. Alle Zeichen stehen auf Fremdverschulden: Chefinspektor Dorner (Christopher Luser: überzeugt mit innerer Zerrissenheit), nicht weit entfernt vom Fundort der Leiche aufgewachsen, soll den Vorfall aufklären. Dem verwahrlosten Cop wird die Polizistin Alex (Salka Weber: umwerfend) zur Seite gestellt, die sich im Ort mit rassistischen Ressentiments konfrontiert fühlt und ihrem Partner mit misstrauischem Blick begegnet. Nicht zu Unrecht: dessen Vergangenheit steht nämlich in direkter Verbindung mit der des Mordopfers. Die Gebrüder Riahi spielen gekonnt mit etablierten Regeln und Charakterdynamiken, die Liste potenzieller Täter ist groß. Durch ein Übermaß an Wendungen wirkt die finale Auflösung aber etwas zu konstruiert. Trotz alledem ein mitreißender Auftakt für das neue Ermittlerduo, nicht zuletzt wegen der überzeugenden Darsteller.