"Es ist immer so peinlich, wenn Schauspieler heulen", stellte sie unter Tränen fest. "Aber man muss halt heulen!" Darf man auch, wenn eine voll besetzte List-Halle Standing Ovations spendiert. Zur Festivaleröffnung am Dienstag gab es den Großen Schauspielpreis der Diagonale für die Grazer Ausnahmeschauspielern Margarethe Tiesel. Gerührt sein war also erlaubt – zumindest kurz. Dann war Tiesel, Spezialistin für extreme Frauenrollen ("Paradies: Liebe", auf der Diagonale demnächst etwa als "Die Vermieterin" präsent), wieder ganz sie selbst – und freute sich unter jubelndem Applaus, "dass das Ungeschönte durch diesen Preis so eine Wertschätzung bekommt". Auch einen Wunsch formulierte die mit einem Kunstwerk von Xenia Hausner beschenkte Mimin: "Dass man die Frauen meiner Generation nicht vergisst. Beim Drehbuchschreiben!" Standing Ovations hatte es zuvor auch für Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber gegeben. Zum Finale ihrer gemeinsamen Intendanz forderten sie in einer gewohnt fulminanten Eröffnungsrede dazu auf, angesichts einer angeblich gespaltenen Gesellschaft Widersprüche mithilfe der Kunst, Kultur und vor allem auch des Kinos zu verhandeln. Ihr Plädoyer "Für Grautöne und Farbüberlagerungen – für Realität und Utopie" im politischen und gesellschaftlichen Diskurs stellten die beiden auch den unredlichen Kompromissen gegenüber, durch die jeder Versöhnungsanspruch "mit Kalkül zum Ausverkauf jedweder aufklärerischen Werte verkommt" – eine deutliche Anspielung auf die neue schwarz-blaue Koalition in Niederösterreich "im Geist von Eigeninteresse und Zukunftsverächtlichkeit". Viel Zuspruch für eine Rede, der ein Abend nach dem Motto von Patric Chihas Eröffnungsfilm "Das Tier im Dschungel" folgen sollte: "Man muss tanzen, das kann uns niemand nehmen."
Prominent besetzte Abschiedsparty
Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber prunkten zu ihrem Abschied mit zwei Eröffnungsfilmen von Viktoria Schmid und Patric Chiha. Es sei "eine Freude", die Diagonale zu eröffnen, sagte dieser; "ein Fest im Festival". Der in Paris lebende Wiener brachte sein Team mit – u. a. die Schauspielstars Tom Mercier und Martin Vischer. Heimische Schauspielprominenz war mit u. a. Pia Hierzegger ("Family Dinner"), Gerhard Liebmann ("Eismayer") oder Lukas Watzl ("Die Vermieterin") vertreten. Salzburgs neue Buhlschaft Valerie Pachner kam als Mitglied der Schauspieljury. Die Party ließen sich auch Herbst-Intendantin Ekaterina Degot, Kunsthaus-Chefin Andreja Hribernik, Graz-Museum-Chefin Sibylle Dienesch, List-Halle-Hausherrin Kathryn List und die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr nicht entgehen.
Vizekanzler Werner Kogler, Landeshauptmann Christopher Drexler und der Grazer Kulturstadtrat Günter Riegler kamen, detto das künftige Diagonale-Duo Claudia Slanar und Dominik Kamalzadeh. Der Segen kam von "Kino-Kardinal" Johannes Grenzfurthner, der im Talar Holzkreuze mit der Aufschrift "Razzennest" verteilte – so heißt sein neuer Film.