Depressiv, todernst, wortkarg und dauervernebelt – so grantelt man gerne über den österreichischen Film. Auf Kurdwin Ayubs Spielfilmdebüt „Sonne“ trifft nichts davon zu. Goschert, charmant, witzig und energisch erzählt die 32-Jährige von drei Teenagerinnen (Melina Benli, Law Wallner, Maya Wopienka), ihrer Suche nach Identität und der Sehnsucht nach Zugehörigkeit inmitten pubertärer Wirren.
Im Fokus steht die 17-jährige kurdische Wienerin Yesmin (Benli). Aus Spaß zieht sie mit ihren Freundinnen Hijabs ihrer Mutter an, die drei filmen sich dabei, wie sie zu ausgerechnet zu „Losing My Religion“ von R.E.M. twerken. Die Blödelei landet ohne Yesmins Wissen auf Youtube und macht sie in der kurdischen Community zu Stars. Und während Yesmin sich von den Rollenbildern ihrer Kultur zu emanzipieren versucht, erfreuen sich Bella und Nati an der fremden Kultur.
Ausgezeichnetes Debüt
Leichtfüßig und ironisch skizziert Kurdwin Ayub mit Schauspiel-Laien die Gratwanderung zwischen Internet-Ruhm, Respekt vor dem Glauben, Fragen von kultureller Aneignung und Selbstbestimmung.
Bei der Berlinale erhielt die Regisseurin dafür den Preis für den besten Erstling. Heute eröffnet „Sonne“ das Filmfestival Diagonale im temporär größten Kinosaal des Landes in der Grazer List-Halle und erstmals ist ein Eröffnungsfilm zeitgleich auch auf ausgewählten Leinwänden in Klagenfurt, Linz, St. Pölten, Innsbruck und Wien zu sehen.
„Ich wollte schon immer Filme machen. Meine Familie ist 1991 aus dem Irak geflohen. Wir hatten nicht wahnsinnig viel Geld und Sicherheit hier in Österreich, ich habe sehr lange um eine Kamera gebettelt und sie mit 14 tatsächlich bekommen“, sagt Kurdwin Ayub zur Kleinen Zeitung. Sie war bei der Flucht ein Jahr alt, näherte sich später über ein Studium der Malerei und dem Animationsfilm an der Universität für angewandte Kunst zunächst dem Dokumentarfilm. In „Paradies! Paradies!“ (2016) begleitet sie ihren Vater 25 Jahre nach der Flucht in die frühere Heimat. Später folgen Kurzfilme wie „Boomerang“ oder „LOLOLOL“.
So ein Film wie „Sonne“ hätte ihr in jugendlichen Jahren gefehlt. Also einer, der eine „Geschichte über junge Menschen“ und eine „Geschichte mit Migrationshintergrund“ echt darstellt. „Sonne“ gewährt dem Publikum einen frischen, authentischen Blick auf eine Generation und ein Milieu, wie man es im österreichischen Kino viel zu selten sieht. Inklusive aufregender Bild-Ästhetik. Viele der Videos stammen vom Ensemble.
„Ich bin ein großer Fan von Social-Media-Geschichten seitdem ich Kunst mache. Mich faszinieren Selbstdarstellung, Schnelllebigkeit und Alter Ego auf diesen Kanälen“, sagt Kurdwin Ayub, ihre Accounts erklären den Rest.