Die rot-weiß-rot gestreiften Fahnen am Grazer Schloßberg und beim Comeback in der Herrengasse kündigen es schon an: das Filmfestival Diagonale von 5. bis 10. April in Graz. Die 25. Ausgabe an der Mur feiert das heimische Kino nach dem Ausfall 2020 und der Frühsommer-Ausgabe 2021 fast wieder wie in Vor-Corona-Zeiten. "Und immer wieder geht die Sonne auf", zitiert Sebastian Höglinger eingangs Udo Jürgens' Schlager, um den Eröffnungsfilm anzukündigen. Kurdwin Ayubs Spielfilmdebüt "Sonne", das erst unlängst auf der Berlinale ausgezeichnet wurde. Nebst Österreich-Premiere im temporär größten Kinosaal des Landes in der List-Halle wird die selbstbewusste, witzige, milieuhafte Rebellinnengeschichte in Instagram-Ästhetik in einigen Kinosälen des Landes gezeigt.

Die Diagonale strahlt österreichweit. Und zeigt kleine "Ayub-Festspiele" mit ihrer preisgekrönten Doku "Paradies! Paradies". Auf den traditionellen Eröffnungsabend folgt eine zweite Gala-Premiere mit Ulrich Seidls Best-of-Opus "Rimini" in der List-Halle. Auch hier spielt "Amore mio" des abgehalfterten Schlagerstars Richie Bravo (Michael Thomas) eine Rolle. Beide Filme stehen für zwei Generationen Austro-Kino, das Wagnisse inhaltlich und ästhetisch nicht scheut.

Eröffnet das Festival: "Sonne" von Kurdwin Ayub
Eröffnet das Festival: "Sonne" von Kurdwin Ayub © Ulrich Seidl Filmproduktion

Die Diagonale als "kleines österreichisches Film-Mix-Tape", scherzt Höglinger. Das Programm von ihm und Co-Intendant Peter Schernhuber ist wie eine "Gesellschafts- und Sehnsuchtserkundung" vom Alpenraum wie in Robert Schabus' Dokumentarfilm "Alpenland", Peter Brunners alpinem Kammerspiel "Luzifer" mit Franz Rogowski oder Adrian Goigingers Zweitling "Märzengrund" mit Johannes Krisch und Verena Altenberger.

Wider das Patriarchat sträuben sich die Schauspielerin und Kabarettistin Elena Wolff in ihrer queeren Dokufiktion "Para:dies" oder Sabine Derflinger in ihrem Porträtfilm "Alice Schwarzer". Die Doku "Denn sie wissen, was sie tun" über die Demos gegen die Corona-Maßnahmen von Gerald Igor Hauzenberger feiert ebenso ihre Uraufführung in Graz wie Helmut Köppings und Michael Ostrowskis Komödie "Der Onkel" mit Anke Engelke. Ein Graz-Heimspiel für die Regisseure sowie ein "gepflegter Grenzgang entlang des guten Geschmacks", sagt Höglinger.

Krieg im Fokus

Dass das zeitgenössische Austro-Kino sich aktueller Krisen auffallend bewusst zeigt, davon zeugen mehrere Arbeiten im Wettbewerb mit seinen 113 Filmen. Explizit vom Krieg in der Ukraine handelt die Doku "Signs of War" über den französischen Kriegsfotografen Pierre Crom. Und Manu Lukschs Interviewfilm "Sing and Cry, Cry and Sing" ist eines der aufwühlendsten Dokumente über den Versuch einer Auslöschung von Freiheit und Würde in Isolationshaft in Abu Dhabi.


Im Premierenfieber wird das Festival heuer übrigens einen Tag länger sein, da die Preise erst am Sonntag vergeben werden. Und während sich die Erwachsenen im historischen Special "Rausch" mit Arbeiten von Michael Glawogger, Peter Kubelka, Sabine Derflinger, Mara Mattuschka ausliefern darf, steht der Sonntag ganz im Zeichen des Nachwuchses. Das Diagonale-Kinderkino bietet die Weltpremiere von der Nöstlinger-Verfilmung "Geschichten vom Franz" oder die Neuadaption des Märchenklassikers "Peterchens Mondfahrt". Und das Finale bestreitet Michael Haneke, 80 geworden, mit der Austro- und der US-Version von "Funny Games".