Noch sitzen die Diagonale-Intendanten Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber in Wien - zwischen den frisch angelieferten Katalogen. Am Nachmittag werden sie aber nach Graz fahren. Am Donnerstag und Freitag hätten sie das Programm der 23. Ausgabe des Festivals des österreichischen Films präsentieren sollen. Nun muss die Diagonale abgesagt werden. "Dem am Dienstag, den 10. März angekündigten und am Mittwoch, den 11. März schriftlich veröffentlichten behördlichen Erlass ,Maßnahmen gegen das Zusammenströmen größerer Menschenmengen nach § 15 Epidemiegesetz Folge leistend, sieht sich die Diagonale’20 gezwungen, das diesjährige Festival des österreichischen Films abzusagen", heißt es offiziell dazu. Wir haben beide am Telefon für ein erstes Interview erwischt.
Wie geht es euch nach der Absage der Diagonale?
Peter Schernhuber: Den Umständen entsprechend. Man muss pragmatisch sagen, dass wir sehr froh sind, „nur“ als Veranstalter betroffen zu sein und nicht im Team unmittelbar. Natürlich war der Druck in den letzten Tagen, als sich die Lage zugespitzt hat, groß, die Entscheidung ist nachvollziehbar und gibt uns einen besseren Handlungsspielraum. Fürs Erste sind wir konzentriert am Abarbeiten, Punkt für Punkt. So wirklich emotional wahrnehmen werden wir das …
Sebastian Höglinger: … wohl erst nach ein paar Nächten Schlaf.
Warum wird eigentlich nicht verschoben?
Peter Schernhuber: Die Diagonale ist ein mittelgroßes Festivals, die meisten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind tatsächlich nur bis zur Abwicklung der Diagonale und kurz danach in unterschiedlichen Beschäftigungen für das Festival tätig. Der Großteil der Stunden ist bereits aufgebraucht, der Großteil unseres Festivalbudgets ist bereits vertraglich ausgegeben. Wenn nun eine Alternative in großem Stil angedacht worden wäre, hätte das einen großen zusätzlichen budgetären Aufwand bedeutet. Und: Im Filmprogramm sind viele Filme, die dann von der Diagonale weg einen Kinostart haben. Das heißt: Wenn man verschiebt, muss man das gesamte Programm neu machen.
Was bedeutet das finanziell für das Festival?
Sebastian Höglinger: Das lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht hundertprozentig sagen. Wir sind derzeit mit allen großen Fördergebern in Kontakt und waren auch mit den Behörden in Absprache, um nicht sofort eine Absage rauszugeben. Man muss schauen, was mit den Stornogebühren passiert, die fällig werden, und mit den Einnahmen, die nicht reinkommen. Wir sind gerade dabei, eine Art Notbudget zu erstellen, um einen Überblick zu bekommen. Wir hoffen und gehen davon aus, dass es am Ende gelingen wird, die Diagonale schadfrei zu halten - so gut es geht. Aber wir sind dabei natürlich ein Stückweit auf das Entgegenkommen unser aller Gegenüber angewiesen.
Was könnte die Absage kosten - gibt es schon eine Prognose?
Peter Schernhuber: Momentan ehrlich gesagt noch nicht. Wir müssen jetzt einmal aufdröseln, welche Kosten schon schlagend geworden sind und welche Einnahmen bleiben. Wir rechnen am Montagabend mit einem groben Überblick.
Ist man als Festival für so etwas versichert?
Peter Schernhuber: Nein, tatsächlich ist es ein Problem. Sehr viele Aspekte sind nun auch politische Fragen. Es gibt auch Diagonale-Veranstaltungen, bei denen wir nicht als Veranstalter fungieren, wie etwa Ausstellungen im Forum Stadtpark oder in der Kunsthalle. Da sind wir auf kulturpolitische Entscheidungen angewiesen.
Gibt es ein Online-Diagonale-Programm, oder sind Festivalfilme nun wo anders zu sehen?
Peter Schernhuber: Wir werden ab Dienstag auch in die Planung gehen, welche Veranstaltungen wir zu einem späteren Zeitpunkt durchführen werden, welche Uraufführungen und Österreich-Premieren in den Kinos überhaupt stattfinden werden. Es kann ja auch sein, dass Kinos am Montag oder Dienstag geschlossen werden. Dann würden sich auch diese Kinostarts noch einmal verschieben. Es hätte sowieso ein begleitendes Online-Programm gegeben – der VOD Cinema Club hat eine eigene Kollektion zusammengestellt. Das Schöne daran ist, dass diese Einnahmen direkt den heimischen Kinos zugute kommen. Auch auf Flimmit wird es eine Auswahl von Diagonale-Filmen der letzten Jahre zu sehen geben.
Werdet ihr das Programm noch präsentieren – die Absage erfolgt nun ja vor der großen Präsentation?
Peter Schernhuber: Wir sind in der bizarren Situation, dass sich auf dem Gang ein großer Stapel Kataloge befindet. Es ist alles bis zum letzten Detail geplant gewesen. Es ist schon eine interessante Idee, was das bedeutet, das Festival in Theorie abzuhalten. Und inwiefern man trotzdem Inhalte kommunizieren kann. Wir werden uns da noch das eine oder andere überlegen, wir sind gestern überrascht und überrollt worden und mussten schnell reagieren. Es ist für gewisse Filme auch ein Problem, dass die Diagonal nicht stattfindet – zum Beispiel für den Eröffnungsfilm „Der schönste Platz auf Erden“, ein kleiner Dokumentarfilm, der die ganz große Bühne gehabt und verdient gehabt hätte.