Breite und Diversität kennzeichneten das Diagonale-Programm, das Festivalfinale wird aber eher für seine Fokussiertheit in Erinnerung bleiben: Beide Hauptpreise gingen gestern Abend im Grazer Orpheum an Filme, die sich mit der traumatischen Lage in Syrien auseinandersetzen. Als bester Spielfilm wurde „Chaos“ von Sara Fattahi ausgezeichnet; als beste Doku Nathalie Borgers „The Remains – Nach der Odyssee“.
Die in Wien lebende syrische Filmemacherin Fattahi befasst sich in ihrem filmischen Essay am Beispiel dreier Frauen mit dem Bürgerkrieg in ihrem Heimatland. „Chaos“, schon beim Filmfestival in Locarno mit dem Goldenen Leoparden der Sektion „Cineasti del Presente“ geehrt, erzählt vom Exil und von Menschen, die körperlich in Sicherheit, aber psychisch nach wie vor in den Krieg verstrickt sind.

Großer Diagonale-Spielfilm-Preis für Sarah Fattahi
Großer Diagonale-Spielfilm-Preis für Sarah Fattahi © Gregor Hiebl

"Heute fühle ich mich als Österreicherin", sagte Fattahi.

Borgers erzählt von einer syrischen Familie, die auf der Flucht über das Mittelmeer 13 Angehörige verloren hat. „The Remains“ schildere den „Schmerz einer Familie vor dem Hintergrund einer der größten humanitären Katastrophen der Gegenwart“, begründete die Jury.

"Ich freue mich für die Familien, die ein so schmerzhaftes Schicksal haben und so durch diesen Preis eine Aufmerksamkeit bekommen", sagte die ausgezeichnete Filmemacherin.Erfreulich: Für beide Filme steht der Kinostart bereits fest: „The Remains“ läuft bereits am 5. April an, „Chaos“ am 4. Oktober.


Einen Satz ließen die Diagonale-Intendanten Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber den Zuschauern ins Diagonale-Stammbuch schreiben: „Kultur kostet, aber Unkultur kostet viel mehr.“ An Kulturminister Gernot Blümel, der der Diagonale erstmals beiwohnte und sogar einen Preis überreichte, appellierten sie für ein Analog-Film-Labor und die Aufstockung des Filmfonds. Weiters wiederholten sie ihr Plädoyer für den Dialog. Moderatorin Susi Stach (eine Extraklasse für sich) fragte den Minister nach seinem Austro-Lieblingsfilm (ORF-Reihe „Maximilian“) und ob er einen gebührenfinanzierten ORF gewährleisten könne, was dieser weder bejahte noch verneinte. Er sprach sich für öffentlich-rechtliches Fernsehenmit breiter Stärke und Größe aus.

Überraschende Kür

Überraschend verlief die Wahl der Schauspielpreisträger – beide sind Newcomer ohne formale Ausbildung: Simon Frühwirth wurde für Gregor Schmidingers Coming-of-Age-Erzählung „Nevrland“ ausgezeichnet, Joy Alphonsus holte sich die Nuss für Sudabeh Mortezais Prostitutionsdrama „Joy“.

Internationaler Abräumerfilm: Sudabeh Mortezais „Joy“ mit Schauspielsiegerin Joy Alphonsus
Internationaler Abräumerfilm: Sudabeh Mortezais „Joy“ mit Schauspielsiegerin Joy Alphonsus © Ballguide/Hiebl