In seinem neuen, bei der Berlinale preisgekröntem Dokumentarfilm "Erde" verhandelt Filmemacher, Kameramann und Produzent Nikolaus Geyrhalter das Größenverhältnis zwischen Mensch und Maschine. Ausgangspunkt ist der eingangs zitierte geologische Faktor: Menschen bewegen täglich 156 Millionen Tonnen Erde, doppelt so viel selbst wie die Natur selbst.
Geyrhalter belegt mit diesem Dokumentarfilm wieder einmal, dass er ein interessanter Erzähler, präziser, aber realistischer Beobachter sowie ein hervorragender Zuhörer und Interviewer ist. Er zeigt bildgewaltig und reduziert sieben aufsehenerregende Orte, an denen Menschen Narben in der Natur hinterlassen, an denen Erde weggesprengt wird, Baggerschaufeln sich Masse brutal zu eigen machen oder Löcher gegraben werden. Oder wie bei der Riesenbaustelle in der kalifornischen Wüste gleich ganze Berge und Landschaften versetzt werden und der Mensch mithilfe von Scraperen ein neues Äußeres schafft. Eine der Stationen ist ein Braunkohlekraftwerk in Ungarn, eine andere der Brenner-Basistunnel, der schon Schauplatz seines letzten Films "Die bauliche Maßnahme" war. Geyrhalter besucht auch eine Kupermine in Spanien oder einen Marmorsteinbruch in Italien.
Dort, im aus der Distanz ästhetisch sterilen aussehenden Umfeld, sagt ein Arbeiter poetisch reflektierte Sätze wie diese in die Kamera: "Wir bearbeiten mit unseren Händen dieses Material, dass vor uns noch niemand berührt hat." Danach beschreibt er die Jungfräulichkeit der Berge und man hat beim Zuschauen und Zuhören den Eindruck, als schwärme dieser Arbeiter von einem menschlichen Körper. Es sind seltene und dabei sinnliche Eindrücke in Branchen, die einem gewöhnlicherweise verwehrt bleiben.
Keine Spielzeugsandkiste
Am stärksten sind die Bilder von hoch oben, die Geyrhalter mit Drohnen oder in Hubschraubern aufgenommen hat. Sie strukturieren den Film und erinnern an Google-Maps-Aufnahmen. Bis sich etwas zu bewegen beginnt und die wuchtigen Scraper, die von diesem Punkt aus wie Spielzeugbagger aussehen, sich ihre Wege durch den Sand graben. Stoisch, beinahe sanft.
"Ich finde, dass es eine Aufgabe des Kinos ist, das Publikum an Orte zu führen, die man sonst schwer zu sehen bekommt. Die Erdoberfläche kennen wir ja. In dem Moment, wo ein Bagger seine Zähne in die Erde setzt, ergänzt sich das Bild von der unversehrten Erde im Kopf des Publikums automatisch", sagt Geyrhalter über seinen Dokumentarfilm. Übung geglückt.