Das wird ein Auftakt mit Wumms: Marie Kreutzers Filmdrama „Der Boden unter den Füßen“, Österreichs einziger Wettbewerbsbeitrag bei der nächste Woche beginnenden Berlinale, wird am 19. März in der List-Halle auch die Diagonale 2019 eröffnen. Das verrieten die beiden Intendanten Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber am Donnerstag beim Festival-Preview in Graz. „Es ist ein Film, der einen umhaut“, sagt Schernhuber über das Werk, in dem die stets profit- und selbstoptimierungswillige Unternehmensberaterin Lola kurz vor dem Sprung an die Spitze der Karriereleiter erfährt, dass ihre Schwester einen Suizidversuch unternommen hat.
Höglinger nennt das Drama zwischen Selbstoptimierung und Kontrollverlust „Kino ohne Sicherheitsnetz“. Beim Dreh „eine Form durchzuhalten, die sich den Genres verweigert“, sei schwierig gewesen, konzedierte die Filmemacherin, die prominente Platzierung ihres Films bei Berlinale und Diagonale dementsprechend eine „große Genugtuung.“ Die Regisseurin, bekannt geworden mit Filmen wie „Die Vaterlosen“, „Was hat uns bloß so ruiniert?“, setzt auf ein starkes Frauenensemble mit Valerie Pachner, Pia Hierzegger, Mavie Hörbiger, die Kamera führte Lena Koppe. Nicht nur deshalb ist „Der Boden unter den Füßen“ für das Intendantenduo ein Film „wie maßgeschneidert für unsere Gegenwart“.
Höglinger und Schernhuber beweisen in ihrem vierten Jahr einmal mehr Spürsinn für Zeitfragen: Passgenau positioniert etwa ist das historische Special mit dem etwas ungelenken Titel „Über-Bilder. Projizierte Weiblichkeit(en)“. Es soll dem kultur- und filmpolitischen Gesprächsbedarf über die Rolle der Frauen in der heimischen Filmlandschaft und -geschichte Rechnung tragen und stellt nebst einem Essay eine Reihe von Filmen zur Diskussion, ausgewählt von Persönlichkeiten aus dem Umkreis des heimischen Kinos: Carmen Tartarottis Dichterinnen-Porträt „Das Schreiben und das Schweigen“ über Friederike Mayröcker, ausgesucht von Musikerin Anja Plaschg, findet sich da ebenso wie Andreas Prochaskas Horrorstreifen „In 3 Tagen bis du tot“, nominiert von Regisseur Stefan Ruzowitzky.
Dass dem leider längst emeritierten Wiener Ausnahmeschauspieler Hanno Pöschl zum 70er eine Personale gewidmet ist: ebenso bemerkenswert wie die Würdigung des Filmemachers, Tischlers und Theaterregisseurs Ludwig Wüst, der am Grazer Schauspielhaus Strindbergs „Fräulein Julie“ inszeniert. Das Detailprogramm dieser Diagonale wird erst am 6. März präsentiert, die Intendanz verspricht statt „aberwitzigem Kuratorentetris“ politisches Programm und ein Festival, das viele Sichtweisen zulässt – zwecks „gepflegten Streitgesprächs“, passgenau.
Ute Baumhackl