"Schule der Geläufigkeit“ nennt sich ja die Sammlung anspruchsvollster Klavieretüden von Carl Czerny. Gäbe es auch eine „Schule der Gurgelgeläufigkeit“, hieße die Direktorin wohl Cecilia Bartoli. Virtuoser, feuriger und leidenschaftlicher lässt sich Gesang kaum denken als jener der Römerin.
Die Mezzosopranistin mit dem unverwechselbaren Timbre, mit der herrlichen Piano- und Verzierungskunst hatte schon die besten Orchester der Welt zu Seite. Was sie aber nicht daran hinderte, mit den von ihr gegründeten „Musiciens du Prince“ mit Sitz in Monte Carlo ein neues Kapitel aufzuschlagen. „Mit der Unterstützung von Prinz Albert, der sich in unser Projekt verliebt hat, beleben wir die alte Tradition der Hofmusiker“, freute sich die Sängerin vor der Inaugurationsgala im Juli im Palast des Grimaldis.
Mit ihrem feinen Originalklangorchester, das sich künftig nicht nur auf Barockliteratur konzentrieren will, ist Bartoli derzeit auf Tournee, gastiert in London, München oder Budapest und bringt ihr Programm „Händel Heroines“ nun auch nach Wien und Graz. In Arien und Instrumentalwerken des deutschen Meisters werden Bartoli und die Ihren um Konzertmeisterin Ada Pesch bei Porträts starker Frauenfiguren aus „Semele“, „Rinaldo“ oder „Teseo“ beweisen: „Georg Friedrich Händel weiß am besten unter uns allen, was großer Effekt ist; wo er ihn will, schlägt er ein wie ein Donnerwetter!“
Bartolis Richtung ist klar: immer vorwärts, immer aufwärts. Weil die 50-Jährige aber weiß, dass der Stimme natürliche Schranken gesetzt sind, versteht sie sich darauf, auch andere Stufen zu nehmen. Die Gründung der Musiciens du Prince war nur ein weiterer engagierter Schritt. Seit 2012 und bis 2021 leitet Bartoli ja die Salzburger Pfingstfestspiele, hat mit den attraktiven Schwerpunktthemen „Cleopatra“, „Norma“, „Cenerentola“, „Iphigénie“ und „Maria“ eine starke weibliche Note ins Spiel gebracht und ist zu einem echten Glücksfall für das Festival geworden. „Die enorme Zustimmung erlaubt es mir, meine Projekte in der bestmöglichen aller Festivalwelten weiterzuträumen“, sagt die so begeisterte wie begeisternde Intendantin. Dass die Feuerwerkerin nun sogar als mögliche nächste Chefin der Wiener Staatsoper genannt wird, nimmt da nicht Wunder.
Michael Tschida