"Zurüstungen für die Unsterblichkeit. Ein Königsdrama", hieß ein Stück von Peter Handke, das Claus Peymann 1997 am Burgtheater uraufführte. In Stockholm haben die Zurüstungen für die Verleihung der höchsten Literaturauszeichnung, des Nobelpreises, an Peter Handke begonnen. Ob es ein Königsdrama wird, hängt wohl auch davon ab, wie der Dichter und seine Kritiker einander begegnen werden.

Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek hatte sich 2004 dem nicht nur ehren-, sondern auch mühevollen Prozedere verweigert. Die traditionelle Lecture, die Jelinek unter den Titel "Im Abseits" stellte, wurde vom schwedischen Fernsehen SVT in ihrer Wiener Wohnung aufgenommen und in der Schwedischen Akademie in Stockholm vorgeführt. Die Nobelpreis-Urkunde und die dazugehörige Medaille bekam sie eine Woche nach der offiziellen Zeremonie in der Residenz der Schwedischen Botschaft in Wien persönlich überreicht. Peter Handke fliegt dagegen nach Stockholm. Und hat angekündigt: "Was sich gehört, werde ich mitmachen."

Pressekonferenz

Der erste Termin könnte der heikelste werden: Am Freitag (6. Dezember) ist nicht nur Handkes 77. Geburtstag, um 13 Uhr findet in der Schwedischen Akademie auch die internationale Pressekonferenz mit der Literaturnobelpreisträgerin des Jahres 2018, Olga Tokarczuk, und dem Preisträger des Jahres 2019, Peter Handke, statt. Bei beiden sind Fragen, die politische Themen betreffen, wahrscheinlich. Tokarczuk hat sich in der Vergangenheit kritisch über die innenpolitische Lage in ihrem Land geäußert, bei Handke ist es seine Haltung zu Serbien und Jugoslawien, die für ein heftiges Wiederaufflammen jener Debatte gesorgt hat, die etwa 2006 bei der Zuerkennung des Heine-Preises (den Handke schließlich nicht annahm) oder 2014 beim Ibsen-Preis losgebrochen war.

Damals war der in Frankreich lebende Dichter vor dem Osloer Nationaltheater von bosnischen und albanischen Aktivisten mit einer lautstarken Gegenkundgebung empfangen worden. Auch für Stockholm sind Protestaktionen von bosnischen Kriegsopferverbänden wie den "Müttern von Srebrenica" angekündigt. Ob sich diese bereits vor dem Sitz der Schwedischen Akademie, wo ein Adventmarkt beschauliche Weihnachtsstimmung verbreitet, manifestieren werden oder erst am 10. zur offiziellen Zeremonie im Konzerthaus, bleibt abzuwarten. Für ihre Kundgebung auf Stockholms zentralem Platz Sergels Torg, rund 300 Meter vom Konzerthaus entfernt, hoffen die Veranstalter jedenfalls auf mehrere Tausend Teilnehmer.

Die Akademie selbst hat auf Aufforderungen, die Auszeichnung wegen verschiedener Kommentare Handkes, die Kritiker als Verharmlosung von Kriegsverbrechen bzw. Herabwürdigung der Opfer werten, zurückzunehmen, kühl reagiert. "Die Akademie (...) hat nichts in seinem schriftstellerischen Werk gefunden, das eine Attacke auf die Zivilgesellschaft darstellt oder den Respekt für die Gleichheit aller Menschen infrage stellt", antwortete Mats Malm, der Ständige Sekretär der Akademie. Und der Vorsitzende des Nobelpreiskomitees, Anders Olsson, der Handke am 10. Oktober die Frohbotschaft telefonisch überbracht hatte, schrieb, es sei "deutlich, dass wir das literarische Werk von Peter Handke auf ziemlich unterschiedliche Weise betrachten". Diese unterschiedlichen Perspektiven gab es offenbar auch innerhalb des Komitees. Eine von zwei nach den vorangegangenen Querelen in der Akademie hinzugezogenen externen Experten, die am Montag bereits nach nur knapp einem Jahr wieder das Feld räumten, begründete ihren Rückzug unter anderem auch mit der Wahl Handkes und der Interpretation dieser Entscheidung als Ansicht, dass die Literatur über der Politik stünde.

Auch in der Kollegenschaft bezog man die Fronten: So nutzte der in Visegrad geborene Autor Sasa Stanisic seine Dankesrede bei der Zuerkennung des Deutschen Buchpreises für eine volle Breitseite gegen Handke, während zahlreiche Autoren, Literaturwissenschafter und Übersetzer von Klaus Amann bis O.P. Zier eine Erklärung gegen die "Anti-Handke-Propaganda, der jedes Mittel Recht ist" unterzeichneten.

Nobelvorlesungen

Am Samstag halten beide Preisträger nacheinander in der Schwedischen Akademie ihre Nobelvorlesungen. Für 16.45 Uhr ist jene von Olga Tokarczuk angesetzt, um 17.30 Uhr soll die Rede von Peter Handke folgen. "Der Hauptteil besteht aus dem Anfang und dem Ende des Stückes 'Über die Dörfer'. Das ist ja schon bald 40 Jahre her, aber es kam mir vor, dass es das Richtige ist für den Moment", verriet der Dichter im Vorfeld. Bisher waren diese Vorlesungen meist medienöffentlich, diesmal habe man sich aufgrund der zwei Preisträger entschlossen, aus Platzgründen nur geladene Gäste zuzulassen, gab die Schwedische Akademie bekannt. Sehr wahrscheinlich also, dass Handkes Gattin Sophie Semin sowie seine beiden Töchter Amina und Leocadie, ungestört den Ausführungen des Nobelpreisträgers folgen können. Die Weltöffentlichkeit kann via Livestream (www.nobelprize.org/2019-nobel-lectures/) mit dabei sein.

Nobelpreiskonzert

Am Sonntag steht das Nobelpreiskonzert zu Ehren der Laureaten an, am Montag die Dialog-Veranstaltung "Into the Unknown" - höchst unspektakuläre Ereignisse im Vergleich zum Höhepunkt des Veranstaltungsreigens am Dienstag, 10. Dezember, um 16.30 Uhr: Am Todestag des Preisstifters Alfred Nobel werden im Konzerthaus von Stockholm vom schwedischen König die Nobelpreise in Physik, Chemie, Medizin und Literatur an insgesamt elf Personen (darunter mit Tokarczuk eine einzige Frau) überreicht. Für die Zeremonie gilt ebenso wie für das daran anschließende Bankett um 19 Uhr im Stockholmer Rathaus ein strikter Dresscode: Abendkleid für die Damen, Frack für die Herren. "Da habe ich ein bissel Sorgen, welche Figur ich darin machen werde", meinte Handke: "Aber es gibt schlimmere Sorgen." Zumal die Nobelpreisträger ein besonderes Service in Anspruch nehmen können: Zu ihnen kommt der Schneider ins Hotel.

Der Medienzugang zur Zeremonie und dem Nobelpreis-Bankett, an dem immerhin bis zu 1.300 Gäste teilnehmen können, ist mehr als exklusiv: Nur zwölf internationale und sieben nationale Print-Journalisten werden von der Nobelpreis-Stiftung zugelassen. Das Menü wird noch geheim gehalten. Im Vorjahr gab es u.a. gebackenen Saibling an Flusskrebssud, gebackene Sellerie mit Eierschwammerlsoße, langsam gegartes Roastbeef zu Erdäpfel- und Lauch-Terrine. Eine Aufgabe hat Peter Handke dann noch zu erfüllen: Von den Preisträgern wird ein auf Englisch ausgebrachter Toast erwartet. Im Sektglas perlte dazu im Vorjahr "Champagne Taittinger Brut Millesime 2013".