Bologna im Sommer des Jahres 1943. Der Sturz von Benito Mussolini steht bevor, aus fanatischen Faschisten werden über Nacht ebenso fanatische Monarchisten. Aber nur wenige Wochen lang, denn dann ist der Diktator wieder an der Macht. Das Blatt wendet sich erneut, der Jubel bleibt. Das Volk ist eben sehr elastisch. Commissario De Luca, Lieblingsermittler und unbeugsamer Gerechtigkeitskämpfer, in die Krimiwelt gesetzt von Carlo Lucarelli, steht zwischen den politischen Fronten. Einen Vierfachmord will er um jeden Preis klären, die Jagd nach den Verbrechern führt in hohe politische Kreise, aber aus dem Jäger wird rasch ein Gejagter. Die Verdächtigen sind mächtige Strippenzieher, die kurz untertauchen müssen, ehe sie wieder aus ihren Löchern hervorkriechen.
Am Beginn strauchelt der Commissario über eine Leiche ohne Kopf. Den Kopf findet er bald, aber er gehört nicht zum Torso. Darauf bezieht sich auch der Titel „Hundechristus“. Denn bei seinen Ermittlungen stößt De Luca auf ein ramponiertes Fresko, das Jesus ohne Körper zeigt, umringt von einer Hundeschar.
Carlo Lucarelli serviert eine brisante, an Zeitkolorit und Spannung reiche Abrechnung mit einem Land, das politisch viele Leichen im Keller hat. Aber er beweist auch, wie leicht, keineswegs nur in Italien, die Massen durch Populismen manipulierbar sind. Dies verleiht dem Roman auch erhebliche, aktuelle Brisanz. Ein düsterer Polit-Krimi auf höchstem Niveau.
Buchtipp: Carlo Lucarelli. Hundechristus. Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl. Folio-Verlag, 276 Seiten, 18 Euro.
Werner Krause