Eine perfekte Punktlandung. Die US-Autorin Maggie Shipstead liefert, worauf viele warteten – einen voluminösen, raffinierten und spannenden Sommer-Roman. Abenteuer, Liebe, Tragödie, satirische Seitenhiebe, eine Jahrhundertgeschichte quer durch bedeutsame Epochen: „Kreiseziehen“ ist ein thematisch kühn geschnürtes Rundumpaket, das eigentlich mit der Luftpost geliefert werden sollte. Denn die Protagonistin Marian Graves entdeckt in den 1930er-Jahren all die Faszinationen des Fliegens und bringt es durch spektakuläre Manöver zu internationalem Ruhm.
1950 verschwindet sie spurlos in der Antarktis, gefunden wird nach langer Suche lediglich ihr Logbuch. Es ist das Ende eines waghalsigen Versuches, die Erde in der Längsachse zu umrunden und als Frau den Macho-Piloten den Kampf anzusagen (darauf bezieht sich auch der englische Originaltitel „Great Circle“). Aber Marian wird zum Mythos. Hollywood verfilmt 2014 die Lebensgeschichte dieser Himmelstürmerin mit einer Skandalnudel als Hauptdarstellerin. Je mehr sie sich jedoch in die Vita von Marian Graves vertieft, desto zahlreicher werden verblüffende Querbezüge und dramatische Gemeinsamkeiten.
Ein Opus magnum, verfasst von einer souveränen Erzählerin, die am Beginn ihres 860 Seiten umfassenden epischen Höhenflugs eine Vielzahl von Handlungsfäden in Händen hält und diese gekonnt und raffiniert nach und nach verknotet. Übrigens auch mit gefinkelter Überzeugungskraft. Denn es gab nie eine Pilotin namens Marian Graves. Aber das ist nur ein Beleg für ein virtuoses Spiel mit Fakten und Fiktionen. Das Buch ist für den Women’s Price for Fiction nominiert. Das, immerhin, erstaunt nicht.
Werner Krause