Vielleicht lässt es sich gar nicht als das übliche Klappentextgewäsch abtun, wenn der Verlag Hoffmann und Campe Amanda Gormans „The Hill We Climb“ auf dem Buchdeckel „Das berühmteste Gedicht der Welt“ nennt: Die 22 Jahre alte Dichterin hat es Ende Jänner bei der Inauguration Joe Bidens zum US-Präsidenten vor einem Millionen-, vielleicht sogar Milliardenpublikum vorgetragen, kurz danach entbrannte eine auch in dieser Zeitung geführte Debatte, wem eigentlich das Recht zusteht, den Text der jungen schwarzen Autorin in andere Sprachen zu übertragen.
Nach Kontroversen in den Niederlanden und in Spanien beauftragte der deutsche Verlag Hoffmann und Campe im redlichen Bemühen, dem Verlangen nach Diversität Rechnung zu tragen, schließlich ein Dreierteam mit der Übertragung: Übersetzt und kommentiert ist der Text nun also von Uda Strätling, Hadija Haruna-Oelker und Kübra Gümüsay.
Die Pointe ist zugegeben billig, aber der deutsche Titel, "Den Hügel hinauf" ist noch das Beste an dieser Übersetzung, die im heißen Ringen, alle politischen, sozialen, historischen Bezugnahmen und Metaphern Gormans exakt abzubilden und wiederzugeben, spektakulär holpert und knirscht und die - auch eine Leistung auf insgesamt 40 zweisprachigen Seiten - grammatikalisch ein paarmal gehörig aus der Spur rodelt.
Der härteste Vorwurf, der den Übersetzerinnen zu machen ist, ist aber der: Nie findet diese Übertragung einen eigenen Ton, der pendelt nämlich die meiste Zeit zwischen grober Klüftigkeit und quasireligiösem Pathos. Aber egal: Nach der bisherigen Diskussion war dieses Match wohl ohnehin nicht mehr zu gewinnen; und um die literarische Qualität des Texts und seiner Übersetzung geht es natürlich auch nicht mehr. Denn längst ist „The Hill We Climb“ mehr ein Symbol für Identitätspolitik und ihre Diversitätsansprüche, und weniger substanzieller Lesestoff.
Ute Baumhackl