Böses Katz- und Maus-Spiel
Seine Krimis sind stark handlungsgetrieben, das Tempo ist oft atemberaubend und mit detaillierten Schilderungen hält er sich erst gar nicht lange auf: Bernhard Aichner hat sich mit seinem verknappten Stil längst eine große Fangemeinde erschrieben. Nun hat der Osttiroler Bestsellerautor („Totenfrau“) eine neue Krimireihe gestartet: Tragödien sind das Geschäft des Pressefotografen David Bronski. Eine Tragödie hat er auch selbst erlebt: Seine Tochter ist als Baby verschwunden. Als Bronski einen Tipp bekommt, wo die seit zwei Jahrzehnten vermisste Leiche einer Millionärin liegt, vermutet er eine Sensationsstory. Aber dann findet er ein Foto seiner Tochter in dem Appartement in Tirol, das zwanzig Jahre niemand betreten hat. Rasant führt Aichner, einst selbst als Pressefotograf tätig, durch ein abgründig böses Katz-und-Maus-Spiel, wechselt ständig die Perspektiven und lässt ganze Kapitel im Dialog ablaufen. Teil zwei der Reihe soll im Juli erscheinen – es geht also rasant weiter.
Bernhard Aichner. Dunkelkammer. btb, 352 Seiten, 17,50 Euro.
Baby, Pudel und Leichen
Liebe und Tod, Schuld und Sühne, Jugend und Alter: Das seien, so Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, die großen Themen in Ingrid Nolls Werk. Das gilt auch für den unterhaltsamen neuen Wurf der Grande Dame des deutschen Krimis: In „Kein Feuer kann brennen so heiß“ wird die recht trampelige Altenpflegerin Lorina für die Pflege einer halbseitig gelähmten Frau eingestellt und entwickelt endlich ein Selbstwertgefühl – dass dabei zwei Männer sterben müssen, fällt in die Kategorie: Um untreue Liebhaber und Erbschleicher muss man nicht lange trauern. Und als Ausgleich gibt’s ohnehin ein Baby und einen Pudel. Was die 85-jährige Autorin besonders gut kann, ist eindringliche Frauenfiguren zu erschaffen. Egal, wie dämlich die sich benehmen: Man hofft, dass sie aus dem Schlamassel herauskommen. Aber ob man mit ihnen mehr als nur Kaffee trinken möchte? Eher nicht – allein schon wegen der Toten, die den Weg von Nolls Heldinnen säumen.
Ingrid Noll. Kein Feuer kann brennen so heiß. Diogenes, 304 Euro, 24.70 Euro
Kurzweilige, schräge Gangstergeschichte
Als ob Quentin Tarantino die Geschichte von Bonnie und Clyde neu erzählen würde: In Nick Kolakowski „Love & Bullets“ zieht ein Gangsterpärchen eine blutige Spur von Oklahoma über Nicaragua und die Karibik bis nach New York. Der notorische Betrüger Bill hat ein paar Millionen von einem New Yorker Syndikat abgezweigt und sich abgesetzt. Klar, dass sich die Verfolger bald auf seine Spur haften, darunter auch Fiona, eine ausgesprochen effektive Killerin und einst mit Bill liiert. Und schon bald ist das Duo gemeinsam auf der Flucht. Hilfreich sind dabei unter anderem ein Killer im Elvis-Kostüm, ein abgetrennter Finger, auf dem ein Sheriff unglücklich ausrutscht, ein selbstfahrender Tesla mit kopfloser Leiche oder eine Sexpuppe samt Feuerwerk. Kolakowski (geboren 1980 in Washington) hat jede Menge aberwitziger Ideen und erzählt in hohem Tempo eine kurzweilige und schräge Gangster-Geschichte. Zimperlich darf man allerdings nicht sein: erst kommt die Gewalt – und dann noch immer keine Moral.
Nick Kolakowski: Love & Bullets. Suhrkamp, 427 Seiten, 11.40 Euro
Cosinus und der Lockvogel
Er ist nicht nur ein Schlitzohr, er fällt auch immer zu den unpassenden Zeiten in Ohnmacht: Der Anwalt Cosinus Gauß hält sich mit allerlei Tricksereien über Wasser. Als er eines Morgens neben der Leiche einer Frau aufwacht, die er auf einer Wiener Schickimicki-Party aufgerissen hat, sucht er erst einmal das Weite – und dann nach dem Täter. Zwar hilft ihm sein großartiges Gedächtnis für Zahlen (der demente Vater war Mathematiker, was den Namen des Sohns erklärt) zunächst nicht weiter, aber immerhin stellt sich heraus: Die Frau arbeitete als Lockvogel für eine Agentur, die die Treue von (Ehe-)Partnern testet. Christian Klingers Krimisatire „Tote Vögel singen nicht“ ist zwischendurch herrlich räudig und derb und mit viel Wortwitz erzählt. Zwischen den Seiten tummeln sich korrupte Mitglieder der Wiener Politik, Wirtschaft und Schickeria – Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind natürlich rein zufällig, aber ausgesprochen unterhaltsam.
Christian Klinger. Tote Vögel singen nicht. Ueberreuter, 192 Seiten, 14 Euro.
Rabenschwarze Tour de Force
Vier Frauen, die höchst unterschiedlich sind. Und noch dazu höchst unterschiedliche Ziele verfolgen: Die australische Erfolgsautorin Candice Fox erzählt von einer Chirurgin, die einen Mann erschossen hat und dafür - noch während ihrer Schwangerschaft - verurteilt wurde. Als sie aus dem Gefängnis kommt, hat sie vor allem ein Ziel: Eine Beziehung zu ihrem Sohn aufzubauen. Da kommt ihr eine ehemalige Mitinsassin in die Quere, deren Tochter verschwunden ist. Zur eher unfreiwilligen Gemeinschaft stoßen dann noch eine Polizistin, die nach einer Erbschaft von ihren Kollegen gemobbt wird und eine brutale Gangsterin, vor der alle anderen ordentlich Angst haben. Diese Schicksale verknüpft die Bestseller-Autorin zu einer rabenschwarzen Tour de Force, bei der viel Blut fließt, aber in jeder Zeile die Sehnsucht nach Normalität durchschimmert. Skurril, großartig erzählt, hochspannend und voller stimmiger Charaktere.
Candice Fox. Dark. Suhrkamp, 395 Seiten, 16.50 Euro
Wenn die Queen heimlich ermittelt
Die Queen also. Man hat es eh schon vermutet, dass sie es faustdick hinter den Ohren hat. Wie sonst kann man es so lange an der Spitze aushalten? Also: Elizabeth II. betätigt sich gerne heimlich als Detektivin, den Ruhm dürfen ruhig andere ernten. Das ist die originelle Ausgangsposition in S. J. Bennetts „Das Windsor-Komplott“. Als ein russischer Pianist unter pikanten Umständen auf Schloss Windsor stirbt, ist die Queen im Gegensatz zum Geheimdienst überzeugt: Putin war es nicht. Obama, der auf Staatsbesuch vorbeischaut, liegt auch falsch: Der Butler war nicht der Mörder. Bei ihren diskreten Ermittlungen bekommt die Queen Hilfe von Rozie, ihrer aus Nigeria stammenden zweiten Privatsekretärin. Und auch wenn’s zwischendurch ein bisserl verwirrend wird: Der in bester britischer Tradition erzählte Krimi (Miss Marple lässt grüßen) macht viel Spaß – solange man nicht den Überblick über das Personal verliert. Aber auch dieses Problem dürfte die Queen gut kennen.
S. J. Bennett. Das Windsor-Komplott. Knaur, 320 Seiten, 18,50 Euro