Kann ein Computer, ein Schreibprogramm, ein Algorithmus eine Geschichte erzählen? Hat „künstliche Intelligenz“ auch schöpferische Kraft, kann sie einen Plot schmieden, den Leser überraschen, berühren, verärgern?
All diesen Fragen ist der Schriftsteller Daniel Kehlmann ("Die Vermessung der Welt", "Ruhm", "Tyll") nachgegangen, als er auf Einladung von „Open Austria“ ins legendäre Silicon Valley reiste, um dort eine Vermessung der zukünftigen Schreibwelt vorzunehmen. Kehlmanns Zugang: „Falls die Technik bald schon meinen Berufsstand überflüssig machen würde, so würde ich es wenigstens als Erster wissen.“ Von seinen Erfahrungen hat Kehlmann in der „Stuttgarter Zukunftsrede“ berichtet, die nun auch als Buch vorliegt. Durchaus launisch und offen räumt der Autor ein, dass er sich das Ganze zunächst wie die künstliche Frau in Fritz Langs „Metropolis“ vorgestellt habe. „Ein Schalter wird umgelegt, Strom fließt, Licht pulst, plötzlich öffnet sie ihre Augen.“
Natürlich war alles anders, und statt einer lichtdurchfluteten Frau hatte es Kehlmann mit einem geschlechtslosen Big-Data-Programm zu tun, mit dem gemeinsam der Schriftsteller nun eine Geschichte erzählen sollte. Vorweg: Das scheiterte auf ganzer Linie.
Die Erklärung dafür ist relativ: Künstliche Intelligenz ist reine Zweitverwertung! „Alles, was sie tun kann, speist sich aus der vom Internet verfügbar gemachten Tätigkeit unzähliger Menschen“, so Kehlmann. Im konkreten Fall konnte „der Computer“ also nur auf das zurückgreifen, was schon einmal geschrieben (und gespeichert) wurde. Im Buch stellt Kehlmann anhand von Beispielen dar, dass sein Schreibalgorithmus aufgrund von Wahrscheinlichkeitsrechnungen zwar in der Lage ist, Sätze, die der Schriftsteller begonnen hat, fortzusetzen – allerdings nur für kurze Zeit. Nach wenigen Absätzen, wenn es um Zusammenhänge geht, stürzt das Programm ab und gibt nur noch Gebrabbel von sich.
Die künstliche Intelligenz kann also – noch – nur aus dem schöpfen, was der Mensch schon geschaffen hat. Selbst schöpferisch ist sie nicht. Und der „Schreibroboter“ kann keine Geschichte erzählen, weil er gar nicht weiß, was eine Geschichte ist. Das Erzählen bleibt also weiter Daniel Kehlmann & Co. überlassen. Gut so.
Buchtipp. Daniel Kehlmann. Mein Algorithmus und ich.
Klett-Cotta, 64 Seiten, 12,40 Euro.