Sam isst gerne Pizza, schätzt einen guten Pinot noir, und wenn er dann noch leicht bekifft auf dem Sofa fläzt und sich einen Naturfilm reinzieht, ist die Welt ganz schön in Ordnung. So könnte es immer weitergehen, tut es aber natürlich nicht.
Denn Sam ist ein Schimpanse und die Hauptfigur von T. C. Boyles neuem Roman „Sprich mit mir“. Und wenn der Popstar unter den US-Literaten die Sprachgitarre würgt, kommen noch immer recht schräge Töne heraus, und mit der Ruhe ist es vorbei.
Der neue Boyle also, dieser grandiose, engagierte Erzähler, der es versteht, gewichtige Themen mit einer lässigen Story zu verknüpfen. Zuletzt verlor der 72-Jährige – der Pflichtbrocken wie „Wassermusik“, „World’s End“ oder „América“ in die Leserherzen und -köpfe gewuchtet hat – etwas an Schreibgewicht, doch in seinem aktuellen literarischen Affentheater lässt er gekonnt die Puppen tanzen.
Die da wären: Sam eben, ein zweijähriger Schimpanse, der die Gebärdensprache beherrscht und von seinem „Herrchen“, dem ehrgeizigen Wissenschaftler Schemerhorn, gerne in TV-Shows vorgeführt wird. Und Aimee vor allem, Sams Betreuerin in dieser psychologischen Versuchsanordnung. Zwischen ihr und dem Schimpansen entwickelt sich eine Liebesbeziehung, die auf Gegenseitigkeit beruht. Natürlich gibt es auch skrupellose Bösewichte und einen Krimi-Strang in dieser Story, mehr wird hierorts nicht verraten.
Das Thema, das Boyle hier anpackt, ist freilich nicht neu: Es geht um die Frage, ob Schimpansen – also unsere nächsten Verwandten – ein eigenes Bewusstsein haben. Können sie lieben, sich erinnern, etwas bedauern, sich entschuldigen? Wissen sie von ihrer Endlichkeit, fürchten auch sie den Tod?
Einmal mehr vereint der Autor in diesem Buch all die Themen, die ihm seit jeher unter den Nägeln brennen: Zivilisationskritik, Medienkritik, Ausbeutung von Ressourcen aller Art. Und in diesem Sinne ist zwar Sam, der Schimpanse, die Hauptfigur im Roman „Sprich mit mir“, aber im Scheinwerferlicht stehen auch seine nächsten Verwandten, also wir. Ist der Mensch tatsächlich das Maß aller Dinge oder nur so anmaßend, das noch immer zu glauben? Auch darüber sollten wir reden.
Buchtipp: T. C. Boyle. Sprich mit mir. Hanser, 352 Seiten, 25,70 Euro.