Ich sehe viele, die nicht da sind.“ Der Nestroy-Klassiker gilt für die rund 300 Autorinnen und Autoren aus Kanada. Sie wollten bei der Frankfurter Buchmesse die enorme Bandbreite der kanadischen Literatur unter Beweis stellen. Die Messe findet bekanntlich nur digital statt, rund 200 Werke wurden übersetzt – und ein kleiner Trost bleibt. Kanada ist auch 2021 das Gastland. Hier einige herausragende Werke.
Endlich übersetzt wurde ein Gegenwartsklassiker mit Kultstatus. 1998 schuf Jacques Poulin mit dem „Volkswagen Blues“ ein Parademodell der „Road Novel“. Mit dem wortkargen Dichter Jack Waterman am Steuer und der temperamentvollen Tramperin Pitsémine samt Kater an seiner Seite. Eigentlich wollte Jack seinen verschwundenen Bruder finden, er entdeckt aber viele andere Schönheiten des Lebens. Ein Meisterwerk, schwebend wie ein Ahornblatt im Wind, begleitet mit genialem Sprachsound.
Buchtipp: Jacques Poulin. Volkswagen Blues. Hanser, 255 S., 23,70 Euro.
Der Drang nach Freiheit, die Sehnsucht nach Weite – das sind zentrale Themen der kanadischen Literatur. „Auf die Suche nach etwas, was da draußen auf mich wartet“, macht sich auch Gladys, Protagonistin in dem vielfach preisgekrönten Roman „Was dir bleibt“ von Jocelyne Saucier. Klingt konventionell, ist es aber nicht. Denn Gladys, die bei Nacht und Nebel verschwindet, ist 76 Jahre alt. Ein Buch zum Verlieben.
Buchtipp: Jocelyne Saucier. Was dir bleibt. Insel, 255 Seiten, 22,70 Euro.
An die Grenzen der Zivilisation, aber auch an die Grenzen der Existenz führt Michael Crummeys Roman „Die Unschuldigen“. Schauplatz ist Neufundland, nördlichste kanadische Provinz, am Beginn des 19. Jahrhunderts. Ein Geschwisterpaar, elf und neun Jahre alt, Vollwaisen, führt einen schier aussichtslosen Überlebenskampf, auch gegen die Natur. Archaisch, wuchtig.
Buchtipp: Michael Crummey. Die Unschuldigen. Eichborn, 350 Seiten, 22,70 Euro.
Werner Krause