Mehr als 40 Romane schuf John Dos Passos, einer der wichtigsten US-Autoren des 20. Jahrhunderts. Einige Werke schüttelte er allzu locker aus dem Ärmel, andere seiner meist sarkastischen Zeitbefunde wurden Opfer einer falschen Erwartungshaltung. Mit „Manhattan Transfer“ brachte er es 1925 zu Weltruhm, der Roman hat einen Fixplatz als Prototyp der düsteren Großstadtchronik inne. Aber er wurde auch zum Maßstab für das weitere Schaffen des vielseitigen Dichters; ein absurdes Verlangen.
Zumal John Dos Passos noch Monumentaleres plante. Mit seiner „USA-Trilogie“ ließ er dem Dämon der Metropolen ein weitaus größeres Monster folgen – bestehend aus den schon damals Verunreinigten Staaten. Von 1930 bis 1936 arbeitete er an den drei Bänden mit den Titeln „Der 42. Breitengrad“, „1919“ und „Das große Geld“. Vier Jahrzehnte umspannt der Dreiteiler, beginnend 1890 mit der Industrialisierung, endend 40 Jahre später mit der Erkenntnis, dass schmutziges Geld tatsächlich die Welt regiert. Nun erschien sein Opus magnum anlässlich seines 50. Todestages in exzellenter Neuübersetzung durch Dirk van Gunsteren und Nikolaus Stingl.
Kaum zählbar sind all die Episoden und Short Cuts, faszinierend ist die plastische, fast filmreife Sprache, famos der oft spöttische, trügerisch leichte Ton. Häufig werden Wochenschau-Berichte eingeschoben, unterlegt mit zynischen Kurzgedichten, Zeitungsschlagzeilen werden hinausgebrüllt, all das sorgt für Authentizität.
Stilistisch tanzt der Autor auf seiner Rundreise, die von der mexikanischen Grenze über die Wall Street bis nach Hollywood führt, auf vielen Ebenen. Zwölf Figuren sorgen für einen roten Faden in diesem kolossalen Zeitpanorama über eine Großmacht, großspurig und skrupellos auf dem Weg zur Weltmacht. Doch der American Way of Life führt nur in zwei Richtungen. Einer ist in der Tat schier mit Gold gepflastert, der andere Weg mündet direkt im sozialen Elend. Geschichte ist das, was man uns erzählt. Mit seiner „USA-Trilogie“ schuf der Pessimist und Visionär John Dos Passos eine Geschichte über das dauerhafte Knirschen im Weltgetriebe, die sich wie von selbst weitererzählt – bis in die unmittelbare Gegenwart.
Werner Krause