Da ist zum Beispiel Maggie, Anfang zwanzig. Sie hat ihren ehemaligen Lehrer angezeigt, ein paar Jahre, nachdem sie sich mit ihm in der Romanze ihres Lebens geglaubt hatte. Und da ist Lina, die eine stabile, aber kalte Ehe für eine Affäre mit ihrem Highschool-Freund aufs Spiel setzt. Und dann ist da noch die glamouröse Sloane, die in einem noblen Urlaubsort ein schickes Restaurant betreibt und mit fremden Männern vögelt, weil ihr Ehemann ihr dabei so gern zusieht.
Keine dieser drei Frauen ist erfunden; eine von ihnen, Maggie, ist in ihrer Heimatstadt im US-Mittelwesten sogar zur lokalen Berühmtheit avanciert; dort kennt jetzt – nach einem aufsehenerregenden Missbrauchsverfahren, in dem ihr Lehrer freigesprochen wurde – jeder die „Schlampe“, die in einem haarsträubenden Fall von Täterumkehr aus Sicht der Öffentlichkeit ihren bedauernswerten Pädagogen erst verführt und dann auch noch vor Gericht gezerrt hat.
„Three Women – Drei Frauen“ von Lisa Taddeo ist, auch wenn man seine Entstehungsgeschichte nicht kennt, ein unglaubliches Buch. Eines, das von weiblicher Sexualität erzählt, und davon, wie schwierig es im 21. Jahrhundert noch immer ist, das Begehren von Frauen zu beschreiben, ohne in abgegriffene Floskeln oder, noch schlimmer, in überholtes Verurteilungsvokabular abzugleiten. Vor allem aber erzählt Taddeo – eher von der Peripherie gängiger Feminismus- und MeToo-Debatten aus – an den Beispielen Maggie, Lina und Sloane von einer Sinnlichkeit, die sich scheinbar irreversibel an männlichen Wunschvorstellungen orientiert.
Damit wird ihr Werk auch zu einer Chronik unerfüllter Hoffnungen, unausgesprochener Bedürfnisse, unbefriedigter oder abgeurteilter Lust. Entstanden ist der Megaseller über die erotischen Bruchlinien weiblicher Autonomie in einem bemerkenswerten Prozess.
Taddeo hat dafür acht Jahre recherchiert; um deren Leben besser zu verstehen, ist sie einer der Frauen sogar hinterhergesiedelt – mitsamt Ehemann und Tochter. Derart intensive Erfahrungsrecherche kennt man von den Klassikern des „New Journalism“, aus Tatsachenerzählungen wie Truman Capotes „Kaltblütig“ oder Gay Taleses „Du sollst begehren“. Die dort etablierte elegante Verbindung von Reportage und Literatur löst Taddeo zwar nicht immer ein, zwischendurch bauscht sich ihre Prosa in gar zu üppigen Volants. Insgesamt aber liest sich „Three Women“ spannend wie ein Thriller. Und selten sind wahre Geschichten so atemberaubend intim und von derart tiefer Empathie erfüllt.
Ute Baumhackl