Das Leben ist eine Insel. Eine patriarchal-archaische. Eine, auf der eigene Regeln gelten, die im heiligen Buch Khorabel stehen, auf der Gewaltenteilung ein Fremdwort ist, Frauen zwangsverheiratet werden und weder lesen, schreiben noch schwimmen lernen dürfen, dafür die harte Arbeit am Feld verrichten. Kein paradiesischer Ort. Obwohl die mediterrane Insel von außen betrachtet wildromantisch erscheint.
Die Hamburger Autorin, Schauspielerin und Dramatikerin Karen Köhler, die 2014 für ihren Erzählband „Wir haben Raketen geangelt“ von der Kritik gefeiert wurde, hat in ihrem Romandebüt „Miroloi“ ihre Protagonistin auf dieser Insel ausgesetzt, als namenloses Findelkind in einem Korb vor dem Bethaus abgelegt. „Eselshure. Schlitzi. Nachgeburt der Hölle“ - so schimpfen sie die Kinder und so führt Köhler ihre Leserschaft im ersten Satz ein, das Wort bedeutet „Klagelied“ und dieses wird folglich in 128 Strophen angestimmt.
Egal, ob schlechte Ernten oder Todesfälle: Die Protagonistin wird für alles, was schiefläuft, verantwortlich gemacht: „Ich will nur Gutes, aber es scheint, als ob jede meiner Bewegungen Schlechtes hervorruft.“ Die wundersame Welt der Worte lässt sie einen Ausweg erahnen, eine Sehnsucht nach Freiheit und Selbstautonomie erwacht. Sie beginnt zu rebellieren, verliebt sich und lernt vom Bethaus-Vater heimlich lesen und schreiben.
Anders als die intuitive Wucht, die Köhlers Kurzgeschichten so anziehend erscheinen lassen, provozieren Sprache und Erzählhaltung in ihrem Roman gewisse Ermüdungserscheinungen. Die ratternden Sätze sind an dieses System des Immergleichen angelehnt: in eher unterkomplexer Sprache. Das lässt abgrundtiefe Seelenerforschungen oder pluralistische Perspektivenwechsel erwartungsgemäß nicht zu und klingt am Ende auch ein bisschen niedlich-naiv: „Drübensachen“, „Wortpinseln“, „Ältestmänner“. Da helfen auch die vielen gewitzten Dialoge und die immer wieder überraschenden Ideen nicht mehr.
Dieses Gefühl der Ermüdung gilt aber auch für die ewige und nun neu angezettelte Debatte, dass Prosa von Frauen, insbesondere bei Debüts, gerne das Feminismus-Mascherl umgehängt wird und deswegen nicht als ernsthaft und ebenbürtig zu betrachten ist.
Als Parabel auf die Gegenwart, gekleidet in eine fantasielose Welt, ist dieser Roman dennoch zu empfehlen. Und die Tatsache, dass diese simpel gestrickte Abrechnung einer jungen Frau mit dem Patriarchat vor allem männliche Kritiker über 40 so erzürnt, spricht auch nicht dagegen.