Das Herz, das der junge Victor Dalmau auf den ersten Seiten des nicht nur zeithistorisch spannenden Romans in Händen hält, muss von ihm erst massiert und wiederbelebt werden, bevor es weiterschlägt. Das Herz, die Hilfsbereitschaft, die Historie sind quasi der Leitstern in diesem Roman, der reale geschichtliche Figuren (Pablo Neruda, Salvador Allende, Pablo Picasso), ihre eigene Vita und reine Fiktion verbindet, wie die chilenisch-amerikanische Schriftstellerin Isabel Allende in ihrem informativen Nachwort ausführt.
Ihr Held Victor Dalmau erlebt im Spanischen Bürgerkrieg die Hölle, als er als Sanitäter die republikanische Armee unterstützt, während sein Bruder an der Front gegen Francos Armee kämpft. Mehr als 500.000 Menschen ergriffen damals die Flucht vor dem späteren Diktator. Und auch Victor, seine Mutter und Roser, die schwangere Verlobte von Victors Bruder, flüchteten über Frankreich nach Chile. „Winnipeg“ hieß das von Pablo Neruda gemietete Dampfschiff, mit dem sowohl rund 2000 Spanier als auch die Romanfiguren ins Exil entkamen.
Doch dort ist das Leben alles andere als einfach: Roser und Victor müssen sich mit Gelegenheitsjobs und Hilfsdiensten durchbringen, bevor sie als Musikerin und Arzt Fuß fassen können. Freundschaft verbindet sie und nach dem Tod von Victors Bruder eine pragmatische Ehe, die sie wegen der Einreise eingegangen sind. Aber ihr Lebensweg hält noch weitere Stolpersteine für sie bereit, zwingt sie doch der Militärputsch von Pinochet ein zweites Mal zu Flucht und Exil.
Opulent, kurzweilig und historisch fundiert, schöpft Isabel Allende wie bei ihren frühen Büchern aus dem Vollen. Sprachlich souverän und inhaltlich spannend ist dieser Roman, Unterhaltungsliteratur vom Feinsten. Herzklopfen beim Lesen ist garantiert.
Isabel Allende. Dieser weite Weg. Suhrkamp. 382 Seiten, 24,70 Euro.
Karin Waldner-Petutschnig