„Er ist ein Feinsinniger, der Wendel, was Töne anbelangt.“ So beginnt die Lyrikerin Gertrude Maria Grossegger ihren ersten Roman „Wendel“. Der Satz passt perfekt auf die Autorin, eine Feinsinnige, was Töne betrifft. Im konkreten Fall: sprachliche Töne, Zwischentöne, Nuancen. Aus diesen Nuancen wird elegant Spannung gewonnen.
Wendel heißt eigentlich Wendelin. Ein durch und durch sympathischer Zeitgenosse, der eines Tages von seinem Freund Theo einen Sack geliefert bekommt. „Aber das kann doch nicht da hineingehen“, denkt sich Wendel – und fällt in Ohnmacht. In der Folge entwickelt die Autorin nicht nur ein Porträt der Titelfigur, sondern auch eine witzige Geschichte rund um ein höchst merkwürdiges Forschungsprojekt in einem Geheimlabor und ein damit verbundenes Codewort.
Grosseggers Sprache ist auch als Prosa von enormer Musikalität, der eigenwillige Ton ihrer Gedichte, deren markanter Rhythmus, ist unüberhörbar. Es ist hier wie da eine Sprache, die virtuos zwischen artistischem Erfindungsreichtum und scheinbarer Umgangssprachlichkeit changiert, eine scheinbar so leicht wirkende wie komplexe Kunstsprache ganz eigener Art und als solche der eigentliche Protagonist des Buchs.
Mehr noch als die Handlung und die Antwort auf die Frage, ob Wendel je wieder zu Bewusstsein kommen wird, ist es die Sprache von Gerlinde Grossegger, die den enormen Sog erzeugt, der, siehe oben, seinerseits jene Spannung erzeugt, die in den Text zieht und nicht mehr loslässt.
Gertrude Maria Grossegger. Wendel. keiper, 136 Seiten, 18 Euro.
Walter Titz