Malina ist anders. Sie sieht die Dinge zerrinnen, sie spürt, was andere spüren, sie träumt Szenen aus der Vergangenheit und der Zukunft. Und wenn sie jemanden berührt, kann sie dessen Schwere wegnehmen und in ein großes Licht schicken. Malina ist "Das Mädchen an der Grenze", weil sie in dem Roman von Thomas Sautner nicht nur die Grenzen der Wahrnehmung überschreitet, sondern auch an der Grenze wohnt - im Zollhaus im nördlichen Waldviertel, nur einen Waldstreifen entfernt vom Eisernen Vorhang. Der schmale Roman lässt das Mädchen selbst erzählen, von der ablehnenden Verwunderung ihres Umfelds, vom inneren Erleben und vom äußeren Schweigen, von den endlich erfolgreichen Versuchen, des eigentlich verschlossenen, harten Vaters, zu ihr durchzudringen, vom Abdriften in eine Welt, die zwischen Fantasie, Fiebertraum, Märchen oder medikamentös induziertem Wahn alles Mögliche sein könnte - aber stets von einer zarten Poesie umgeben ist. Die sanfte, eindringliche Sprache, die Sautner für Malina findet, gehört dabei zu den Stärken des Buches, die altkluge und selbstreflektierende Perspektive, die er dem Kind andichtet, mutet mitunter allerdings konstruiert an.

Thomas Sautner: "Das Mädchen an der Grenze", Picus, 146 Seiten, 18 Euro. ISBN: 978-3-7117-2047-4