Säure lief auf mein Lachen
das Glas
zerbrach im Hals

Diese Zeilen stammen vom afghanischen Schriftsteller Fatah Farzam, dessen Heimatland von multiplen Katastrophen bedroht ist. Hungersnot, Schreckensregime der Taliban, Verfolgung von Andersdenkenden, völlige Entrechtung der Frauen. Farzam ist einer der Autoren, der am 14. September im Grazer ISOP-Zentrum aus seinen Texten lesen wird. Die Veranstaltungsreihe trägt den Titel „Stimmen der Gerechtigkeit: Literatur als Widerstand“, und zu Wort kommen an diesem Tag Schriftstellerin und Schriftsteller, die am eigenen Leib erfahren haben, wie gefährlich das gesprochene oder gedruckte Wort sein kann in autoritären oder antidemokratischen Regimen. Lesungen (mehrsprachig) und anschließende Gespräche gibt es weiters mit Tanja Maljartschuk aus der Ukraine, Noémi Kiss aus Ungarn, Saša Ilić aus Serbien und Sergei Lebedev aus Russland.

Noémi Kiss, die als eine der wichtigsten ungarischen Autorinnen gilt, betont in ihrem Werk immer wieder die Bedeutung von Vielfalt, Anderssein und Diversität. Dazu im Widerspruch, so Kiss, stünden Krieg, totalitäre Herrschaft, Rassismus und Nationalismus.

„Ich bin Schriftstellerin, zuletzt habe ich Gedichte über die Liebe geschrieben – und jetzt soll ich Auskunft über Waffen geben?“, fragt wiederum die Schriftstellerin und Journalistin Tanja Maljartschuk aus der Ukraine, die bereits 2011 nach Wien emigrierte und 2018 den Bachmann-Preis gewann. Zu ihrer derzeitigen Situation als Schriftstellerin meinte Maljartschuk unlängst, sie habe seit zwei Jahren für einen neuen Roman recherchiert. „Diesen Text über den Holocaust in der Ukraine werde ich nicht schreiben können, da der Krieg gegen die Ukraine, vorbereitet durch absurde Nazivorwürfe der russischen Führung, alle historischen Zusammenhänge aus den Angeln gehoben hat.“

Vom „Totalausfall des moralischen Kompasses in Russland“ spricht Sergei Lebedev. Sein im Herbst 2015 in deutscher Übersetzung erschienener dritter Roman „Menschen im August“ war mehreren Verlagen in Russland zu heikel und ist in Russland erst im Januar 2016 erschienen. Einige seiner Romane setzen sich mit den psychischen Nachwirkungen der Gulag-Straflager auf die russische Gesellschaft auseinander. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 schrieb er, die sowjetischen Verbrechen seien nie bestraft worden, deshalb kehrten sie wieder. Die russischen Bomben und Raketen, welche heute Ukrainer töten, seien der Preis für die Versäumnisse nach 1991. Zuletzt erschien von Lebedew, der in Berlin lebt, der Roman „Das perfekte Gift“ – ein fulminantes Buch über Wespenstiche, an denen Geheimagenten sterben, und die Jagd nach einem todbringenden Chemiker.

Saša Ilić ist serbischer Schrifsteller und ist Unterzeichner der 2017 veröffentlichten Deklaration zur gemeinsamen Sprache der Kroaten, Serben, Bosniaken und Montenegriner. Er erinnert immer wieder daran, dass unerschünschte Themen, die von Gesellschaften verschwiegen werden, von der Kunst bearbeitet werden müssen.

Der Fall von Fatah Farzam hat - auch in Kleinen Zeitung – für Schlagzeilen gesorgt. Der afghanische Schriftsteller ist im Vorjahr mit dem renommierten „Exil-Literaturpreis“ ausgezeichnet worden. Zwei Asylanträge des 33-Jährigen, der seit 2015 in Österreich lebt, wurden dennoch abgelehnt. Dabei scheint offensichtlich, dass er nicht zurück in seine Heimat kann: Sein Vater, ein Universitätslehrer, und dessen Bruder wurden beide von den Taliban ermordet. „Ich weiß nicht, zu welchem Grab ist meinen Körper bringen soll“, fragt sich Farzam in einem seiner Gedichte. Seine Status derzeit: Das Asylverfahren ist noch immer im Laufen.