Drei Titel von Autorinnen und Autoren aus Österreich stehen auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2022. Marie Gamillschegs "Aufruhr der Meerestiere", "Wilderer" von Reinhard Kaiser-Mühlecker und Anna Kims "Geschichte eines Kindes" sind unter den 20 Romanen mit Chancen auf den mit 25.000 Euro dotierten Preis, der am 17. Oktober zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse vergeben wird.
Marie Gamillscheg, meist in Berlin lebende Grazerin des Jahrgangs 1992, hatte mit "Alles was glänzt" 2018 beim Österreichischen Buchpreis den Debütpreis gewonnen. In ihrem zweiten Roman "Aufruhr der Meerestiere" steht die Meerwalnuss, lateinisch "Mnemiopsis leidyi", im Mittelpunkt. Die Rippenqualle ist mit ihren vielen Besonderheiten ein Faszinosum für Meeresbiologen wie die Protagonistin Luise, mit ihrer endemischen Vermehrung jedoch ein Schrecken der Ökologen.
Reinhard Kaiser-Mühlecker wurde 1982 in Kirchdorf an der Krems geboren und wuchs im oberösterreichischen Eberstalzell auf. Er führt die Landwirtschaft seiner Familie und ist seit seinem Debütroman "Der lange Gang über die Stationen" (2008) ein Fixpunkt nicht nur der heimischen Literaturlandschaft. 2016 stand er mit "Fremde Seele, dunkler Wald" auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis. In "Wilderer" erzählt er von Jakob, der sich früh um den vom Vater fast zugrunde gerichteten Familien-Hof zu kümmern beginnt.
Die 1977 in Südkorea geborene und seit 1984 in Wien lebende österreichische Autorin Anna Kim veröffentlichte 2004 ihren ersten Roman ("Die Bilderspur"). 2017 legte sie ihren Roman "Die große Heimkehr" als breites Panorama der koreanischen Zeitgeschichte vor und nach der Teilung an. In ihrem neuen Roman "Geschichte eines Kindes" verwebt sie die Rassentrennung der 1950er und unterschwelligen Rassismus von heute und schickt ihre Ich-Erzählerin Franziska zunächst in die US-Kleinstadt Green Bay. Basis der Geschichte ist laut Kim eine wahre Begebenheit.
Unter den weiteren Nominierten sind u.a. Esther Kinsky ("Rombo"), Dagmar Leupold ("Dagegen die Elefanten!"), Fatma Aydemir ("Dschinns"), Theresia Enzensberger ("Auf See"), Jan Faktor ("Trottel") und Heinz Strunk ("Ein Sommer in Niendorf"). In der nächsten Etappe wird am 20. September die sechs Titel umfassende Shortlist bekanntgegeben, die für die Autorinnen und Autoren zumindest 2.500 Euro wert ist. 2021 ging der Deutsche Buchpreis an Antje Rávik Strubel für "Blaue Frau".
Ein Rumoren der großen Fragen unserer Zeit
"In der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur rumoren die großen Fragen unserer Zeit: nach Herkunft und Identität, nach Formen und Zukunft unseres Zusammenlebens. Sie können sich in der deutschen oder österreichischen Provinz ebenso entfalten wie in Kabul oder Pjöngjang, in einer herannahenden Dystopie oder der real-historischen Ostberliner Vorwendezeit", wurde Jurysprecherin Miriam Zeh (Deutschlandfunk Kultur) in einem Statement zitiert. Man habe "epische Erzählungen ausgesucht, poetische Sprachschöpfungskaskaden sowie formale Experimente, die klassische und realistische Formen des Romans aufbrechen. Die Auswahl auf unserer Longlist folgt dabei verschiedenen Kriterien, so wie auch in der Jury Perspektiven aus Literaturvermittlung und -kritik zusammenfinden." Man habe "etablierte Autor*innen ebenso wie eine Vielzahl noch weniger bekannter und jüngerer Stimmen" nominiert. Aus Österreich ist heuer der freie Kritiker Erich Klein in der siebenköpfigen Jury dabei.
Heuer hatten 124 Verlage insgesamt 202 Romane eingereicht, der dritte Höchstwert in Folge. 83 Verlage stammen aus Deutschland, 22 aus der Schweiz, 19 aus Österreich und einer aus Luxemburg. Dadurch, dass auch die Jury selbsttätig Bücher in die Auswahl einbeziehen kann, wurden seit Ausschreibungsbeginn 233 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2021 und dem 20. September 2022 erschienen sind oder noch erscheinen.
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