Im Webstuhl, der die meiste Zeit des Abends im Zentrum der sonst nackten Bühne steht, ist deshalb auch kein Garn gespannt. Tatsächlich werden in insgesamt 95 Minuten viele, viele Geschichten erzählt. Nach dem Text der deutschen Schriftstellerin Enis Maci, in ruckartig wechselnden Stimmlagen und Lautstärken und vor allem: im Chor.

Die Weberinnen tragen blau. Ihre Kleider (Ausstattung: Laura Stellacci) sind an verschiedenen Körperstellen ausgestopft - da sie hauteng sind, kommen die Wölbungen an Schultern, Rücken oder Bäuchen gut zur Geltung. Die Weberinnen erzählen von Gemeinschaft, von Solidarität und vom Krieg. Sie sitzen in einem Hochhaus und weben Tarnumhänge für die Front. Sie erzählen von Ausbeutung, von Industrialisierung und von Maschinen - und machen dabei große Zeitsprünge in der Geschichte. Biografie-Fetzen werden aufgegriffen und wieder fallen gelassen: von Penelope aus der griechischen Mythologie, über die britische Biochemikerin Rosalind Franklin, hin zu ukrainischen Frauen im Donbass-Krieg.

Es fallen so viele Namen, dass man zwischendurch den Überblick verliert, bis man von der Intensität des Vortrags doch wieder in den Bann gezogen wird. Auf einer Skala von kindlichem Trotzanfall bis verunsichertem Gestotter wird viel geboten. So unterhaltsam die Performance der Weberinnen in punkto Gestik, Mimik und Synchron-Sprechen auch ist, erschwert sie das Bemühen, bei der Fülle an Themen gedanklich mitzukommen.

In diesem Sinne ist die plötzliche Ankündigung der Weberinnen "Wir brauchen eine Pause" in der zweiten Hälfte des Stücks eine Erleichterung. Es folgt der Auftritt einer fünften Protagonistin (Anne Kulbatzki), die sich an den Webstuhl setzt und "Klavier" zu spielen beginnt. Eine willkommene Verschnaufpause für alle Beteiligten. Ein paar Minuten lang kann man beim Anblick der exaltierten Playback-Pianistin schmunzeln, die bei geschlossenen Augen ihre Finger über den Webstuhl wandern lässt und affektierte Musiker perfekt nachahmt. Erhobenen Hauptes verlässt sie schließlich die Bühne und übergibt wieder an die Weberinnen, die in der Zwischenzeit an der Seite des Publikums Platz genommen hatten.

Erst ganz zum Schluss kommt der Friseursalon auf dem Holzgerüst links des Publikums zum Einsatz: Die letzte Frauengeschichte, die an diesem Abend aufgegriffen wird, ist jene der Monica Lewinsky. "Do you believe in love after love", ertönt Chers Stimme, während die Weberinnen einander die Haare waschen und föhnen. Der Abend endet ähnlich, wie er begonnen hat, mit einem Monolog über ein ausgewähltes Frauenschicksal aus der Menschheitsgeschichte. Geschichte, in der sonst stets Männer die Deutungshoheit hatten.

In "Bataillon" entscheiden Frauen, was erzählt und was ausgelassen wird. Das unaufhörliche Jonglieren mit historischen Daten und Fakten macht den Abend anstrengend. Aber es war eben ganz schön viel Stoff, der erzählt werden musste.

"Bataillon" von Enis Maci, Regie: Milena Michalek, Ausstattung: Laura Stellacci, Dramaturgie: Lilly Busch, Musik: Alexander Yannilos, Mit: Vera von Gunten, Anne Kulbatzki, Clara Liepsch, Sophia Löffler, Karola Niederhuber. Schauspielhaus, Wien 9, Porzellangasse 19, Nächste Vorstellungen: 31. Dezember 2021 um 19:30 Uhr sowie 5., 8., 12.-15. Jänner, 9.-11. Februar 2022 jeweils um 20 Uhr,