"Ein Leben voller Abzweigungen" ist ein doppeldeutiger, passender Buchtitel: Robert Fröwein berichtet über Uber-Fahrer und ihre Schicksale. Sie wollten Fußball-Profi werden, flüchteten vor Gewalt oder ließen eine kriminelle Vergangenheit zurück: "Es ging nicht um Uber versus Taxi oder die Gesetzesänderung in dieser Causa, sondern um die Menschen am Steuer", sagte der Autor im APA-Gespräch. Aus all seinen Gesprächen mit Lenkern hat der in Wien lebende Journalist, der seinerzeit auch für die Kleine Zeitung arbeitete, 17 Reportagen für sein Buch geschrieben.
"4,6 Sterne Durchschnittsbewertung. Das nackte Urteil für eine ganze Zunft. Hinter dieser Zahl steckt die Existenz eines Menschen", schreibt Fröwein, Musikjournalist der "Kronen Zeitung". Um diese Existenzen zu ergründen, bestellte der 36-Jährige - "so wie jeder andere" - Wagen per Uber-App, setzte sich rein und sprach die Lenker an. "Es hat mich total überrascht, dass so gut wie alle gerne reden! Sie sind es aber nicht gewohnt, dass mit ihnen gesprochen wird. Meistens steigen die Fahrgäste ein, schauen aufs Smartphone oder telefonieren. Die Lenker freuen sich aber, wenn man sich für ihre Geschichte interessiert."
Diese Geschichten können spannend und aufschlussreich sein, wie bei der Lektüre von "Ein Leben voller Abzweigungen" rasch klar wird. Zwei Beispiele, die ihn besonders beeindruckt haben, führte Fröwein im Interview an: "Ich hatte einen Fahrer aus Afghanistan. Er erzählt, wie es in seiner Heimat zuging, über seine Flucht, wie er in Österreich eine neue Existenz aufgebaut hat. Was ja nicht leicht ist, weil die Leute Migranten nicht immer freundlich und vorurteilslos begegnen. Und dann die Geschichte von einem Algerier, der in Frankreich kriminell wurde - bis ihm sein Vater gesagt hat, er soll in ein anderes Land gehen und sich zusammenreißen. Er kam nach Wien, hat seine dunkle Vergangenheit zurückgelassen, eine Familie gegründet und einen Job als Uber-Fahrer angenommen. Man sieht, dass Resozialisierung funktioniert, wenn man will und es die Umgebung zulässt."
Er habe die Unterhaltungen in Reportagen verpackt, aber nichts erfunden, die Gesprächspartner allerdings anonymisiert. "Ich habe Uber als Plattform und nicht Taxi verwendet, weil niemand Uber-Fahrer wird, weil er es will - das passiert immer", sagte der Autor. "Manche sind froh, dass sie wieder einen Job haben, andere kommen ins Land und müssen sich erst mal irgendwie über Wasser halten." Sein Buch ist weder ein Uber-Bashing, noch Werbung.
Was er aus den vielen Gesprächen mitgenommen habe? "Die Fahrer bekommen mehr Negatives mit, als wir vermuten. Besonders bei Nachtfahrten erleben sie ganz schlimme Dinge. Nicht nur mit gewalttätigen, betrunkenen Passagieren, sondern auch in Sachen Rassismus und Verhöhnung", berichtete Fröwein. "Es hat mich erstaunt und fasziniert, wie sie das teilweise hinnehmen und damit leben müssen. Das könnte ich mir selbst nicht vorstellen, angeprangert zu werden, nur weil ich anders aussehe oder aus einem anderen Land komme."