Eigentlich wollen sie alle nur helfen. Rita zum Beispiel dem toten Hund, der „einem Stofftier glich, das jemand – ein Kind, dachte sie – verloren hat.“ Dass sie sich mit einem Stock wappnet, um sich im Notfall gegen seine Bisse wehren zu können, wird ihr zum Verhängnis: Plötzlich glauben alle, sie hat den Hund umgebracht.
Auch Tom will helfen. Der arbeitslose Ex-Buschauffeur hätte aus seiner eigenen Geschichte zwar lernen können, dass man schnell unter Verdacht geraten kann, wenn man sich jungen Frauen zu sehr nähert – als aber Ela im Haus neben ihm einzieht, kann er sich ihr nicht entziehen. Ela würde sich gerne selbst helfen, vor allem gegen die Albträume, aber mit der Hilfe von Medikamenten ist ohnehin alles ein bisschen leichter. Und dann ist da noch Marisa, die vor ihren Sorgen im wahrsten Sinn des Wortes davonläuft und sich doch nur nach ein bisschen Anerkennung und Liebe sehnt.
Rund um diese vier Protagonisten baut die in Wien lebende Kärntnerin Anne Goldmann ungemein gekonnt eine Geschichte, deren zentraler Satz ist: „Alle kleinen Tiere werden von großen gefressen.“ Die Autorin, die sich unter anderem als Kellnerin und Küchenhilfe eine Ausbildung als Sozialarbeiterin finanziert hat, kennt das Milieu, von dem sie erzählt: Menschen am Rand der Gesellschaft, die energisch versuchen, sich aus dem Hamsterrad freizustrampeln, aber immer wieder an der Kälte der Welt scheitern. Mit viel Empathie und einer ungemein präzisen Sprache erzählt sie jeweils aus der Perspektive ihrer Figuren, die einem mit all ihren Fehlern, Ängsten und Wünschen unmittelbar ans Herz wachsen, weil sie unheimlich echt und vertraut wirken.
Und dann gibt es auch einen Toten, es gibt Einschüchterungsversuche, es gibt eine betrügerische Baufirma und den Kampf um Immobilien in der Wiener Vorstadt – diese Krimi-Elemente fügen sich aber nahtlos in die Handlung ein, treiben sie weiter oder liefern ganz nebenbei so manche Erklärung für das Verhalten der Figuren (und brachten der Autorin übrigens auch Platz fünf auf der renommierten Krimi-Bestenliste im Juli ein). Neben mancher Grausamkeit sind viele der Schrecken unglücklichen Umständen oder reiner Gedankenlosigkeit geschuldet. Wie im echten Leben eben.