Blass wirkte er, wortkarg und fast ein wenig scheu war er, als sich unsere Wege erstmals kreuzten. Das war im Jahr 2008 in Klagenfurt, im Rahmen des Bachmannbewerbs. Für seine Novelle „Die Waage“ erhielt er den Ernst-Willner-Preis. Doch Clemens Setz hatte schon davor – vor allem im deutschen Feuilleton – einen Beinamen bekommen: Für seinen Debütroman „Söhne und Planeten“ feierten ihn etliche Kritiker als neuen literarischen Wunderknaben.

Falsch lagen sie damit keineswegs. Aber aus dem Wunderknaben ist durch seine geniale Vielseitigkeit längst ein Gigant der Sprache geworden, ständig bestrebt, Grenzen der dichterischen Ausdrucksweisen auszuloten. Sei es als Romanautor, der durch seine thematische Vielseitigkeit verblüfft, sei es als Dramatiker, der nach eigenen Worten „eher sprechbare Geschichten“ für das Theater verfasst, sei es als Lyriker, Autor von Erzählungen oder Übersetzer. „Aber mein Herz gehört schon der Prosa, da fühle ich mich wirklich daheim“, sagt er und lässt es an entsprechenden Beweisführungen nicht mangeln.

Dennoch: Dieser Clemens Setz, der vor einigen Jahren seinem Namen ein „J.“ hinzufügte (es steht für seinen zweiten Vornamen, Johannes) sorgt nicht nur im weiten Feld der Literaturlandschaft für enormes Aufsehen. Er twittert permanent, lässt wunderbare Nonsens-Gedichte vom Stapel oder skurrile Kurz-Statements, wobei sich mit all den auf Twitter veröffentlichten Gedichten locker und leicht zwei Lyrikbände füllen ließen. Das will er nicht.

Klar ist es, dass der Dauergast im Internet – ständig auf der Suche nach möglichen literarischen Neu- oder Spätentdeckungen – vor allem eine jüngere Generation von Leserinnen und Lesern anspricht. Nichts Besseres kann der Literatur passieren.

Die literarische Bühne betrat Clemens Setz im Jahr 2002 in der von Markus Jaroschka herausgegeben Grazer Literaturzeitschrift „Lichtungen“ mit Gedichten. Ein notorischer Vielschreiber war er schon in dieser Zeit. Etliche Jahre lang stand er spätestens um 4.30 Uhr auf, um kurz danach auch schon am Schreibtisch zu sitzen. Das Resultat ist bekannt, dominiert natürlich durch mehrere, meist sehr umfangreiche epische Werke, gewürdigt durch zahlreiche Preise. Der Kleist-Preis zählt dazu, der Preis der Leipziger Buchmesse und nun natürlich – als bisherige Krönung seines Schaffens – der Georg-Büchner-Preis, der ihn nach eigenen Worten „total überraschte“.

Den sofort einsetzenden Medienrummel stoppte er selbst, höflich, aber bestimmt. „Insgesamt gab ich sechs Interviews“, dann war Schluss. Eines gewährte er der Kleinen Zeitung. Man sieht: auch Clemens J. Setz ist für kleine Auszeichnungen zu haben.

Aber es ist Zeit, auch den Privatmenschen Setz ein wenig ins Rampenlicht zu holen, weil er auch da immer wieder zu Experimenten neigt, die sich einfügen in das Bild eines letztlich in seiner Dynamik doch fast unfassbaren Reisenden im großen Wortreich passen. Als das lautstarke Telefonieren mit Handys samt Headset oder Ohrenstöpseln groß in Mode kam, flanierte auch er geraume Zeit durch die Straßen der Grazer Innenstadt, mit Kopfhörern – aber sein Handy war gar nicht in Betrieb. „Das war für eine sehr gute Möglichkeit, Stress abzubauen. Ich sprach einfach laut vor mich hin, simulierte Gespräche und kommunizierte mit Passanten, die davon gar nichts bemerkten.“

Seit zwei Jahren lebt der Schriftsteller in Wien. Dort hat er erst kürzlich eine neue Leidenschaft entdeckt: „Ich versuche, Krähen zu dressieren. Das klappt schon erstaunlich gut. Wer weiß, was sich daraus noch ergibt?“

Häufig befasst er sich mit Dichtern, die sich über sprachliche Regeln hinwegsetzen. Am Anfang war es Ernst Jandl, bald gesellten sich H. C. Artmann und Oskar Pastior hinzu. „Unkonventionelle Sprache wirkt auf mich wie eine Batterie, die mich enorm aufladen kann.“

Derzeit arbeitet er an einem Roman, angesiedelt in Hessen in den 1920er-Jahren. Protagonist ist Peter Bender, der durch seine Hohlwelt-Theorie verblüffte. „Bender behauptete, dass wir im Inneren der Erdkugel leben und ober uns das Meer ist.“ Eine fremde Welt, eine fremde Epoche, das reizt mich sehr. Zu einer „sinnlichen Zeitreise“ will er aufbrechen. Dass sie in Regionen führt, in denen Georg Büchner lebte, „ist reiner Zufall“, sagt Setz. Aber schmunzeln muss er dabei schon.