"Man sollte den Künstler aus einiger Entfernung, vielleicht von der Seite, ruhig und ernst betrachten", hat Wolfgang Bauer selbst einmal gefordert. Wie fällt Ihre Betrachtung aus?
GERHARD MELZER: Wolfi Bauer war ein Universalkünstler und hatte ein Bild vom Künstlertum, das ganzheitlich war. Er hat Kunst als Herausforderung und Lebensform verstanden.
Das erklärt auch seine Unbedingtheit.
Er hat Kunst als Wert verstanden, den er sehr ernst genommen hat. Im Grunde sind viele seiner Stücke Künstlerdramen. Da geht es um innere Zerrissenheiten, die er in unterschiedliche Formen transformierte. Da war er sehr kreativ und hat oft komplexe Innenwelten auf die Bühne gebracht.
"Wie ein Forscher bricht Bauer Schicht um Schicht des Künstlerschädels auf", haben Sie einmal geschrieben. Was kommt zum Vorschein im Schädel?
Dinge in einem selbst, über die man üblicherweise nicht spricht und die schwer greifbar sind. Und es ist ja eine der Aufgaben von Künstlern, Dinge, die man nicht rational fassen kann, zum Ausdruck zu bringen. Das sind Zugänge, die damals sehr neu und innovativ waren – und leider auch wenig verstanden wurden.
Wolfgang Bauer haftete zeitlebens das anrüchige Flair des genialischen Kraftlackels an. Sie versuchen seit Jahrzehnten, allzu vordergründige Lesarten zu korrigieren. Wie sollte diese Korrektur aussehen?
Die Korrektur ist deshalb so schwierig, weil es den klischeehaften Wolfi Bauer ja auch tatsächlich gegeben hat. Der Wolfi Bauer war aber nicht nur ein Blödler, sondern auch ein belesener Mensch, ein Philosoph, aber das wollte er nicht heraushängen lassen. Deshalb schauen die Oberflächen seiner Stücke trashig aus.
"Magic Afternoon" und "Change" haben voll eingeschlagen, doch bald haben Kritiker von "lautem Harakiri" geschrieben, weil Bauer sich selbst und seine Bühnenreißer nicht kopieren wollte. Wie sehr hat ihn das belastet?
Nur insofern, dass es ökonomische Konsequenzen hatte. Die späteren Stücke sind ja oft nur zur Uraufführung gekommen. Künstlerisch hat ihn das nie irritiert. Er machte stets so weiter, wie er musste.
Warum wurden diese Stücke nicht angenommen?
Da gab es eine Mixtur von Gründen. Ein Grund war, dass Bauer viele seiner Stücke selbst inszenierte. Und sein Zugang war – das mag jetzt erstaunen – eher konventionell. Dem Regietheater ist er überaus skeptisch gegenübergestanden. Das heißt, er war ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr im Mainstream – und hat sich auch nicht bemüht, das zu sein.
Werden wir Bauer-Stücke in Zukunft auf der Bühne sehen?
Ich glaube fest daran, dass Wolfgang Bauers dramatische Kraft und sein Einfallsreichtum wiederentdeckt werden.
Buchtipp: Bauerplay. Herausgegeben von Gerhard Melzer und Paul Pechmann. Literaturverlag Droschl, 158 Seiten, 23 Euro.