Ich gehe weiter und ihr geht mit
und ihr geht dort,
wo ich schon gegangen bin.
Wir haben die gemeinsame Gegenwart,
die Sonne und den Sternenhimmel,
es ist unser Baum,
vor dem wir stehen, und der schert
sich nicht um die Zeit,
die uns trennt.
Der Baum ist grün.
Gleich offen ist die Zukunft,
doch mir kommt mehr Vergangenheit entgegen,
mehr von dem, was schon gewesen ist,
es kommt so entgegen
wie euch und mir die Poesie entgegenkommt.
Wenn es uns gelänge, für sie bereit zu sein,
sie, aus welcher Zeit immer,
zurückzuerobern: für das Dasein jetzt:
Das Blut im Schnee vor Parzivals Augen,
Emilias Tod, des Dieners Schmerzensschrei
in „Kabale und Liebe“ und tröstend
das „Gerettet“ von oben herab.
Wie das Blut an Wozzeks Kleidern,
den Tod Salis und Vrenis
und den des ersoffenen Bierfahrers
„Ruhe sanft kleine Aster“ –
mit dem Benn seine Wahrheit sagt,
sie sollen wir hören, neu hören
und klirren lassen,
um „im Winde klirren die Fahnen“,
wie sie Hölderlin hörte für uns,
und purzelbaumschlagend
„jolifanto bambla o falli bambla“
gerufen für Anna Blume und wehgeklagt
für den armen Kasper, der tot ist,
aber aufersteht in Handkes Stück,
und er tobt in Puntilas Schnaps
und welches Glück,
dass wir gemeinsam da sind
in Platos Höhle.
Schön wäre es,
wenn wir erfahren hätten,
im hereinbrechenden Licht der Dichtung,
was Nähe ist, den Ort,
der mehr ist als die Schule,
wenn dies der Steg gewesen wäre
von einem zum anderen, die Schwelle –
welch ein Wunsch.
Ich war nicht so weit entfernt
von Euch, was ich schrieb, mir dachte,
ist eure Zeit jetzt,
die einmal auch meine Zeit war,
als die Welt einfiel in mich,
der Körper aufbrach
und das schönste Gefühl der Hass war
gegen die Dunkelmänner, die die Sünden
verlasen, der Hass gegen jene,
die uns wie Totgeburten hinnahmen,
und uns nichts gaben als das,
was sie für ihre schäbige Sicherheit brauchten,
die nie begeistert waren, für nichts,
nicht einmal für das, was sie taten.
Was sie lebten, waren fremde Befehle,
sie führten sie aus, nichts,
das sie irgendwie von den Befehlen unterschied:
sie wollten wir zerschlagen wie Nüsse,
aber es war keine Schale da, kein Kern.
Lehrer sein hieße, euch davor zu bewahren,
hieße eure Augen zu schärfen, das Falsche
zu entlarven, die Ohren zu schärfen,
das Falsche herauszuhören.
Ich ein wenig voran auf eurem Weg,
mit mir selbst auf dem Weg, weil euer Fühlen
noch da ist in mir,
es gibt kein „Früher einmal“,
zugleich wollte ich mit euch die Masken zerstören,
die Lügen, den schönen Schein,
mit euch erfahren, dass vieles veränderbar ist
und dass es eine Lust ist, das Verändern zu lernen,
auch das Lernen zu lernen,
das Wahrnehmen, das Erfahren –
das war mein Entwurf,
meine Hoffnung –
aber die Wirklichkeit?
Die könnt ihr mit
Euren Herzen zerschlagen.
In einem Winkel dieser Schule
hinterlasse ich diese Hoffnung.
Alfred Kolleritsch