Dallas und Dynasty aus China

Sich gemütlich zurücklehnen und stilecht an einem Cocktail nippen, während man eintaucht in die Welt der Schönen und Reichen - das kann man mit den 600-Seiten-Schmökern von Kevin Kwan. Der satirische Roman “Crazy Rich Girlfriend” des in Singapur geborenen US-Bestsellerautors ist so wie die anderen Teile der Trilogie ein Sittenbild über Asiens Jetset: bissig, böse, bunt und ungemein unterhaltsam. Irgendwo zwischen Jane Austen, Regenbogenpresse und 1980er-Jahre-Serien a la Dallas und Dynasty angesiedelt, wurde die exotische Love Story durch die Verfilmung des ersten Teils 2018 in den USA zum Überraschungserfolg (“Crazy rich Asians”). Mittlerweile ist ihr Höhenflug auch in der deutschen Übersetzung (von Lisa Kögeböhn) nicht aufzuhalten.

Es heißt, nirgendwo steige die Zahl der Superreichen so stark wie in Ostasien, nirgendwo sonst soll es mehr Milliardäre geben als in China. Sie sind es, die die Luxusindustrie und den Kunstmarkt für sich entdeckt und anscheinend jeden Bezug zum realen Leben verloren haben. Ob Marken wie Rolex, Bentley, Chanel oder Louis Vuitton - Reichtum wird zur Schau gestellt, auch wenn über Geld nicht gesprochen wird. Die Millionen und Milliarden definieren den Stellenwert in der Gesellschaft. Für die Erziehung ihrer Kinder an westlichen Elite-Schulen geben diese Asiaten das meiste Geld aus, Hausangestellte, Autoflotte und eigene Flugzeuge sind Standard.

Mittlerweile sind alle drei Teile, die auch unabhängig voneinander gelesen werden können, auf Deutsch erschienen (und insgesamt in 35 Sprachen übersetzt): Nick, Sohn einer superreichen Familie aus Singapur, will die chinesisch-stämmige Amerikanerin Rachel heiraten, mit der er in New York lebt. Doch Nick hat ihr verschwiegen, dass er aus einer der reichsten Familien der Welt stammt, und das Chaos nimmt seinen Lauf. Mit Situationskomik, Wortwitz und temporeichen Dialogen katapultiert der Autor seine Leserschaft in eine schrille Luxuswelt, in der Sportwagen im Penthouse parken und der Barhocker auf der Privatjacht mit Walvorhaut bespannt ist.

Geht es im ersten Teil um die unstandesgemäße Hochzeit, so amüsiert im zweiten Buch die Wiedervereinigung von Rachel mit ihrem verschollenen chinesischen Vater (einem superreichen und prominenten Politiker), während sich im dritten Teil alles um das Thema Erben dreht - denn Nicks Großmutter liegt im Sterben.


Kevin Kwan. Crazy Rich Girlfriend. Roman. Kein und Aber,
576 Seiten, 20,70 Euro. (Teil 1: Crazy Rich Asians,
Teil 3: Crazy Rich Problems)

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Literarische Neuentdeckung

Sympathisch ist sie auf den ersten Blick nicht. Aber dennoch eine faszinierende Frauenfigur aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Irmgard Keun, Autorin von “Das kunstseidene Mädchen” (1931) war unter den Nazis verboten, verließ als verfemte Autorin 1935 Deutschland, lebte in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und den USA. Im Exil lernte sie Joseph Roth kennen, dessen Lebensgefährtin sie für rund fünf Jahre wurde. Verheiratet war sie davor mit dem 23 Jahre älteren Regisseur Johannes Tralow, über Jahrzehnte heimlich liiert mit dem Arzt Arnold Strauss.

Der Briefwechsel mit ihm, dem Juden, der über Jahre belegt ist, ergibt ein berührendes Porträt dieser bedeutenden deutschen Literatin aus der Zeit der Weimarer Republik: “Ich lebe in einem wilden Wirbel” zeigt die Schriftstellerin ständig in Geldnöten, immer bemüht, Zeit und Raum für ihr Schreiben zu finden und voll Bindungsangst ihren Männern gegenüber. Dass sie zu viel getrunken und nur halbherzig geliebt hat, macht sie zu einer zwiespältigen aber schillernden Künstlerpersönlichkeit, in der sich die europäische Geschichte spiegelt. Charmant muss sie gewesen sein, aber auch egozentrisch wie ein kleines Kind, klug und unverschämt offen in ihren Briefen an Arnold, in denen sie über ihre Gefühle und Hoffnungen, ihre Arbeit und Abhängigkeiten erzählt. Sie hat ihn immer wieder verführt, hingehalten und um Geld angepumpt.

Großmütig klingt da das Nachwort von Majory S. Strauss, der späteren Witwe von Keuns einstigem Geliebten, die über den Fund der Briefe lange nach dem Tod ihres Mannes und deren Herausgabe berichtet. 1988 erstmals erschienen, ist die Neuauflage des Ullstein Verlages eine literarische Neuentdeckung, die die prekäre Welt einer talentierten Autorin neben Schriftstellerkollegen wie Stefan Zweig, Heinrich Mann, Hermann Kesten oder Egon Erwin Kisch zeigt. 1982 stirbt Irmgard Keun im Alter von 77 Jahren. Sie lesend kennen zu lernen lohnt sich auch noch heute, 38 Jahre danach. Und klappt man schließlich die Buchdeckel zu, wirkt sie nicht mehr unsympathisch, sondern selbstbestimmt, humorvoll und klug.

Irmgard Keun, Ich lebe in einem wilden Wirbel.
Ullstein. 400 Seiten, 13,40 Euro

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Spannende Neuübersetzung

Auch in Zeiten von #metoo und Greta erscheint ein Essay, der 1929 erschienen ist, erstaunlich modern: Virginia Woolfs zum Klassiker des Feminismus gewordener Text “Ein Zimmer für sich allein” basiert auf zwei Vorträgen, die die Autorin 1928 an der Universität von Cambridge gehalten hat. Darin denkt sie nicht nur über Frauen und Literatur nach, fragt, was Frauen brauchen, um künstlerisch tätig zu sein, sondern sie rüttelt auch an den herkömmlichen Formen von Geschlechterbeziehung. “Eine Frau braucht Geld und ein Zimmer für sich allein, wenn sie Bücher schreiben will”, lautet das vielzitierte Credo dabei.

Die fiktive Schriftstellerin Mary flaniert in dem Text über den Campus einer fiktiven Universität, unschwer als Cambridge/Oxford zu erkennen. Sie darf nicht über den Rasen gehen und hat ohne männliche Begleitung keinen Zugang zur Bibliothek, was sie empört. Die rechtliche und finanzielle Benachteiligung der Frauen in der damaligen Zeit ist nur ein Aspekt des Essays, in dem es vor allem um das Verhältnis von Männern und Frauen, um Geschlechteridentität und Selbstbestimmtheit geht.

Die deutsche Autorin und Übersetzerin Antje Rávik Strubel hat für den Schweizer Kampa-Verlag (Imprint Gatsby) dieses Standardwerk feministischer Literaturtheorie neu übersetzt und mit einem sehr lesenswerten Nachwort versehen. In der Gestaltung der englischen Erstausgabe wurde die Neuerscheinung zu einem bibliophilen Schmuckstück. “Frauen haben in all diesen Jahrhunderten als Spiegel gedient, ausgestattet mit der magischen und köstlichen Kraft, die Gestalt des Mannes doppelt so groß wiederzugeben. Ohne diese Kraft wäre die Erde sicher noch Sumpf und Dschungel”, zitiert Strubel darin Virginia Woolf, Autorin von “Mrs. Dalloway”, “Orlando” und anderem mehr. Bei Strubel klingt Woolf, die sich 1941 schwer depressiv das Leben nahm, beinahe locker, unterhaltsam, jedenfalls klug und erfrischend. “Ich bin ergriffen von der Zwanglosigkeit und Offenheit ihres Denkens, der Gegenwärtigkeit und Genauigkeit ihrer Analyse, der Zeitlosigkeit, Dynamik und Verspieltheit, und ihrer Eleganz des Stils”, schwärmt Übersetzerin Strubel.  Unbedingt lesenswert, nicht nur für Frauen!

Virginia Woolf, Ein Zimmer für sich allein. Übersetzt von Antje Rávik Strubel. Kampa Verlag. 192 Seiten, 24,70 Euro

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