Dass man dieses literarische Werk in Zeiten von Corona und dem damit verbundenen "Social Distancing" besonders gerne und häufig im Munde führt, liegt auf der Hand. Im Jahr 1963 erschien "Die Wand", der bis heute bekannteste Roman von Marlen Haushofer.
Die beklemmende, klaustrophische Geschichte erzählt von einer Frau, die durch eine riesige gläserne Wand vom Rest der Welt abgeschnitten ist. Hinter dieser Wand gibt es kein Leben, nur die Natur existiert weiter. Die Frau richtet sich in der Isolation ein, lernt das Überleben - und schreibt darüber einen Bericht. Julian Pölsler hat den Roman 2012 mit der unvergleichlichen Martina Gedeck verfilmt.
Marlen Haushofer, geborene Marie Helene Frauendorfer, kam vor genau 100 Jahren, am 11. April 1920 in Frauenstein, Oberösterreich zu Welt. Sie wurde nur 50 Jahre alt und erlag am 21. März 1970 einem Krebsleiden.
Erste Kurzgeschichten von Haushofer erschienen 1946 in diversen Zeitschriften. In Hans Weigel hat sie einen prominenten Förderer gefunden - doch sie fand nie Zugang zum Literaturbetrieb. Schreiben war für Haushofer eine Nebentätigkeit, die sie allerdings regelmäßig und in strenger Disziplin am Küchentisch erledigte.
Haushofer schrieb mehrere Romane und Kinderbücher, fand aber zeitlebens keine breitere Anerkennung. In einer ersten Rezeptionsphase wurde ihrer Literatur das Etikett "Frauenliteratur" umgehängt, später wurde sie als Dystopie-Prophetin vermarktet.
Im Ullstein-Verlag ist fast der gesamte Haushofer-Katalog erschienen. Im Folgenden Kurz-Rezensionen der wichtigsten Romane.
Die Wand
Der dritte Roman, erschienen 1963. Die namenlose Protagonistin reist mit ihrer Cousine und deren Ehemann ins Gebirge, am nächsten Tag vermisst die Erzählerin ihre Begleiter. Am Ausgang der Schlucht stößt die Frau plötzlich auf eine unsichtbare Sperre - die Wand. Der Roman wurde unterschiedlich rezipiert: als radikale Zivilisationskritik, als Kritik am Patriarchat als Robinsonade.
Himmel, der nirgendwo endet
Auch in diesem stark autobiografischen Kindheitsroman aus dem Jahr 1966 erscheint das Motiv der Wand. An einer Stelle heißt es: „Ganz langsam wächst eine Wand zwischen Mutter und Tochter auf." Die Wand als Metapher für die Einsamkeit des Menschen, als Symbol für die Gefangenschaft im Ich.
Wir töten Stella
Erzählung aus dem Jahr 1958. Mit großer Anteilnahme und Sensibilität, ohne anklagenden Unterton und ohne zu moralisieren, beleuchtet Marlen Haushofer die Verlogenheit einer äußerlich intakten, tatsächlich aber kaputten bürgerlichen Familie. Aus ängstlicher Bequemlichkeit und dem vergeblichen Wunsch, dem Sohn eine perfekte Familie vorzugaukeln, nimmt eine Ehefrau die Affären ihres Mannes leidend hin. Sie schreitet auch nicht ein, als dieser die neunzehnjährige Stella verführt. Auch diese Erzählung ist stark autobiografisch eingefärbt. Auch diese Haushofer-Erzählung wurde von Julian Pölsler verfilmt, wieder mit Martina Gedeck in einer Hauptrolle.
Die Mansarde
Der letzte Roman und quasi eine Fortsetzung von "Wir töten Stella". Er handelt von der Frau eines Anwaltes, Hausfrau und Mutter von zwei Kindern, die von ihrem Ehemann genug hat. Abends begibt sich die ausgebildete Graphikerin meist in die Mansarde des Hauses, um ihrem Hobby, dem Zeichnen von Insekten, Fischen, Reptilien und Vögeln nachzugehen. Es ist wieder der Roman einer Ehe, keiner glücklichen allerdings, aber das sind die Ehen bei Marlen Haushofer nie. Auch ihre eigene war glücklos, obwohl sie sich nie hatte daraus lösen können.
Am 26. Februar 1970 schreibt sie ihren letzten Text. Er beginnt mit dem Satz: "Mach dir keine Sorgen." Am 21. März 1970, drei Wochen vor ihrem 50. Geburtstag, stirbt Marlene Haushofer. Ihr Leben endet, wie sie es immer wieder beschrieben hat in ihren Texten: schmerzhaft.