Ich weiß nur eine Sache über das Leben. Wenn du lange genug lebst, fängst du an, Dinge zu verlieren. Alles wird dir weggenommen: Zuerst verlierst du deine Jugend, dann deine Eltern, und dann verlierst du deine Freunde, und am Ende verlierst du dich selbst.“ So beginnt Scott McClanahans Roman „Sarah.“, der einer einzigen, allumfassenden Verlustanzeige gleicht. Aber die Bilanz eines privaten Totalversagens, die am Ende nur ein großes Fragezeichen – den Ich-Erzähler – aufweist, wird übertüncht. Durch alle Spielarten des Galgenhumors, des lapidaren und lakonischen Erzähltons, durch sagenhaft schräge Beobachtungen.
Bei der Suche nach einem Namen für den Protagonisten fackelte der US-Autor, der nebstbei auch ein glänzender Musiker ist (dies verleiht dem Buch auch einen eindringlichen Sprachklang), nicht lange herum. Er heißt – Scott McClanahan. Ob es sich nun aber um ein autofiktionales Buch handelt oder auch nicht, ist nebensächlich.
Denn was hier in brillante Sätze umgeformt wird, ist ein schier endloses Lied der Einsamkeit, den Refrain dazu liefert immer wieder die ramponierte Lebensfähigkeit eines Mister Kaputtnik unserer Tage. Seine Ehe erleidet nicht zuletzt durch Alkoholexzesse Schiffbruch, beruflich schlingert er mehr schlecht als recht dahin. Geradezu selbstvernichtend ist aber seine Gabe, zu jeder passenden Möglichkeit die unpassendsten Worte zu finden. Als seine Frau Sarah die Scheidung einreichen will, versucht er, sie durch das Aufsagen eines selbst gereimten Gedichts davon abzuhalten, ihren Wunsch nach einem Kosenamen erfüllt er mit großem Charme – er nennt Sarah fortan Elch.
Wir verlieren, was wir lieben. Der tragikomische Anti-Held weiß dies, aber er ist unfähig, entsprechend zu reagieren. Außer durch Galgenhumor. „Sarah.“ ist eine magische, soghafte Geschichte über das Alleinsein zu zweit; sie führt, brillant übersetzt von Clemens J. Setz, in eine Gefühlswelt, die sich um eigene, verkehrte Achsen dreht und eigentlich nur einen Grundsatz kennt – sie will zauberhaft zart sein. Das ist sie auch, auf andere Weise halt.
Werner Krause