Herr Gruber, auf der Rückseite des Covers zu Ihrem neuen Buch ist der eher beklemmende Hinweis zu finden, dass dieses Werk sinngemäß auch Ihr Schlussstrich unter das Schreiben und die Literatur sei. Ist das tatsächlich Ihr Ernst?
REINHARD P. GRUBER: Der Hinweis hat mich selbst erstaunt. Andererseits habe ich ja zuletzt sechs Jahre lang nicht geschrieben, also irgendwie auch aufgehört, recht lange Zeit. Aber dieser Hinweis ist offenbar ein Missverständnis, ich hab das selbst nicht gewusst.
Vom endgültigen Aufhören kann also keine Rede sein?
Nein. Aber es kann ja niemand sagen, was morgen mit ihm passiert. Und vielleicht ist es dann, aus anderen Gründen, tatsächlich mein letztes Werk gewesen.
Der Begriff „Morgen“ passt ideal zum Werk. Es ist ein Tagebuch mit dem Titel „365 Tage“. Was hat Sie dazu motiviert?
Das hat sich irgendwie ergeben. Es ist ja auch kein Tagebuch im herkömmlichen Sinn, weil ich mittlerweile sehr früh, also gleich nach dem Aufstehen, mit dem Schreiben beginne, ohne Plan, und daher natürlich selbst nie wusste, was der Tag bringt und wo mich das Schreiben hinführt.
Also eher ein Journal?
Das trifft es besser. Es ist ein Journal über den Tag, das Heute, über das, was mir an diesem Tag einfällt und was mein Gehirn hervorbringt oder auch nicht. Und ich wollt auch wissen, wie es um meine Schreibdisziplin steht. Ich hab ja früher keineswegs jeden Tag geschrieben.
Ein zentrales Thema ist zweifellos die von Ihnen freiwillig gewählte Einsamkeit, also der recht rigorose Rückzug aus der Öffentlichkeit?
Ich habe die Einsamkeit gesucht, es ist also keine Isolation. Ich beklage mich ja auch in diesem Journal nie darüber, es gibt auch keinerlei Selbstmitleid. Das überlasse ich anderen Dichtern.
In Summe lesen sich die Einträge wie ein Abschied von der chaotischen Welt „da draußen“, mit der Sie nichts mehr zu tun haben wollen, vor allem in politischer Hinsicht. Das reicht von Trump in den USA bis zur Fremdenfeindlichkeit hierzulande.
Ja. Ich wollte und will mich damit nicht mehr belasten, ich will nicht täglich in Wut geraten. Es ist wirklich nicht mehr meine Welt und ich mische mich da nicht mehr ein.
Sie wollen, schreiben Sie, Frieden schließen mit sich selbst?
Ja, soweit es eben möglich ist. Aber ich lebe ja hier nicht wie ein Eremit oder Einsiedler, ich höre Nachrichten, ich höre die täglichen Lügen der Politiker, all das ist grauenhaft. Aber da möcht ich jetzt wirklich einen Punkt machen.
Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Die Zuckerkrankheit machte Ihnen immer wieder schon sehr zu schaffen ...
Nicht so sehr wie anderen Diabetikern. Ich glaube, ich kann damit sehr gut umgehen, vor allem, weil ich täglich möglichst viel gehe und in Bewegung bin.
„Das Leben freut sich trotzdem, zu leben“ – lautet der schöne Schlusssatz.
Dieser Satz war mir besonders wichtig, weil ich ein sehr positives Verhältnis zum Leben habe und weil es eben in Wahrheit auch kein Schluss ist. Der Satz führt, nach 365 Tagen des Schreibens, ins Offene.
Lesung: Reinhard P. Gruber liest am 18. September im Literaturhaus Graz aus „365 Tage“. Beginn: 19 Uhr.
Werner Krause