Im Vorjahr veröffentlichte John leCarré seine Autobiografie. Häufig ist das ein Zeichen dafür, dass ein Autor sein schriftstellerisches Werk als beendet erachtet. Dies gilt nicht für den britschen Literaten, der mit seinen Thrillern rund um den ständig wortkargen und oft mürrischen Agenten George Smiley bis heute unerreichte Maßstäbe im Genre der Spionageromane setzte. Weil er sie zum Teil nur als Mittel zum Zweck erachtete und stets auch politische brisante und realistische Zustandsbilder schuf. Enormes Insiderwissen, gepaart mit sprachlicher Bravour und, selten, aber doch, subtiler englischer Ironie, verhalfen ihm zu einem einzigartigen Status.

Mosaikstein

Es scheint so, als habe ihm dennoch ein wichtiger Mosaikstein in seiner auch verfilmten Smiley-Serie gefehlt. Gedacht, geschrieben. „Das Vermächtnis der Spione“ ist eigentlich ein Epilog zu leCarrés 1963 erschienenem Welterfolg „Der Spion, der aus der Kälte kam“. Zwei Jahre zuvor, so die Story, scheitert in Berlin die britische Geheimdienst-Operation „Windfall“ kläglich und blutig. Ein Agent und dessen Ehefrau werden erschossen. Etliche Jahre später, exakt 2017, später wollen die Kinder der Opfer vor Gerich ziehen.

Zurück aus der Rente

Smiley & Co. kehren notgedrungen aus der Rente zurück. Sämtliche Unterlagen über den Vorfall sind verschwunden. Und der gute alte Smiley, so viel kann verraten werden, erscheint in dieser virtuos geschriebenen, raffiniert doppelbödigen Vorgeschichte in einem schrägen Licht. Wer den besten Polit-Thriller des Jahres sucht: hier ist er.

(Lesetipp: John leCarre: Das Vermächtnis der Spione. Ullstein. 320 Seiten, 24,70 Euro)