Die Donau aufwärts? Viele, denen Nick Thorpe auf seiner "Reise gegen den Strom" begegnete, "dachten, ich müsse verrückt sein". Der englische Journalist und Filmemacher ist nicht verrückt. Er ist bloß neugierig. Und er ist ein hervorragender Reiseschriftsteller. Sein 2014 erschienenes Buch "Die Donau", dessen deutsche Übersetzung am Montag im Bruno Kreisky Forum präsentiert wird, ist lesenswert.
"Flüsse folgen einem bestimmten, unvermeidlichen Lauf von den Bergen zum Meer. Da treten in Furtwangen und Donaueschingen kühne Reiseschriftsteller aus den Konditoreien, vollgestopft mit Schwarzwälder Kirschtorte, um einer solchen Route stromabwärts zu folgen, und sind zunehmend beklommen, sobald sie in immer unvertrautere Gefilde gelangen", schreibt Thorpe. Für den 57-Jährigen ist Osteuropa dagegen eine zweite Heimat geworden. Seit 1986 lebt er in Budapest, seit 1996 ist er Mitteleuropa-Korrespondent der BBC. Alle Transformationen der jüngeren Geschichte hat er hautnah miterlebt. Und so war es für ihn logisch, flussaufwärts zu reisen, quasi der Besiedlungsgeschichte entlang. Denn "Europa wurde vom Osten her bevölkert und so gewissermaßen zivilisiert."
Schiff, Rad, Skateboard
Zwischen März 2011 und März 2012 reiste er in mehreren großen Etappen entlang des fast dreitausend Kilometer langen Stromes vom Schwarzen Meer bis zum Schwarzwald, meist mit dem Auto, aber auch zu Fuß, mit Fahrrad, Schiff, Zug, und einmal auch mit dem Skateboard seines Sohnes. Dabei suchte er stets den Kontakt zu den Menschen und verbindet nun organisch deren Geschichten mit der Geschichte dieses wichtigen europäischen Kulturraums. Weder nimmt er sich selbst dabei zu wichtig, noch wird er beim Referieren von Fakten zu didaktisch.
Und was hat Thorpe über den österreichischen Abschnitt der Donau zu erzählen? Er kommt natürlich an Mauthausen ebenso vorbei wie an Melk, fährt nach Zwentendorf, "um das Atomkraftwerk zu sehen, das die Österreicher errichteten und dann heroischerweise nach einer Volksabstimmung nicht in Betrieb nahmen, obwohl es beinahe schon ans Netz gehen konnte", und trifft sich in Wien mit interessanten Gesprächspartner. Er besucht aber auch in der Stadt Grein untergebrachte Flüchtlingsfamilien oder horcht einem Oberförster bei Hainburg zu, wie er von seinem durch die Au-Besetzung verursachten beruflichen Wandel berichtet - vom Baum-Umschneider zum Beschützer natürlichen Wildwuchses.
Es sind Geschichten wie diese, die das Buch auszeichnen. Sie sind nicht nur unterhaltend und informativ, sondern auch dazu geeignet, der Donau das nächste Mal anders gegenüberzutreten - mit geschärften Sinnen und offenem Blick.