Konkret ist gar nichts in diesem Roman. Weder Zeit noch Ort werden benannt, auch wenn man bald ahnt, dass die kroatische Insel Brac gemeint ist, auf der die Autorin zeitweise aufgewachsen ist. Hier spielt sich das karge Leben von Pablo Klee ab, einem Kriegshelden, dem sogar ein Denkmal im Ort errichtet worden ist. Jetzt liegt er aber in einer psychiatrischen Klinik, und ein Freund, dem er seine Geschichte auf Band gesprochen hat, erzählt, wie es war. War es wirklich so? Der Leser wird gleich zu Beginn gewarnt: „Nicht wer im Augenschein die Wahrheit sucht, vermag gerecht auf ein Leben zu schauen, nur der Liebende und offenen Herzens Staunende.“
Von der Sehnsucht und vom Scheitern ist viel zu spüren in diesem Lebensbericht, der Erwartungshaltungen hinterfragt und Rollenklischees verweigert. Auch vom Verschweigen und von Verlust erzählt die Autorin, der beim Bachmann-Wettlesen 2015 bescheinigt wurde, „zu schön“ zu schreiben (ihr Debüt „Die Farbe des Granatapfels“ wurde trotzdem ein Bestseller).
Reales und Geträumtes
Nicht die Ungewissheit - was ist real, was ist geträumt - macht es schwierig, sofort in das Buch zu finden. Es ist die Sprache, deren Klang und Rhythmus verinnerlicht werden müssen, ehe Klee Konturen annimmt. Teilweise antiquiert und zu bewusst komponiert wirkt, was die archaische Dorfwelt zwischen Aberglauben und Gottesfurcht in Worte fasst. Doch hat man sich eingelassen auf den Ton, klingt der wie in Schwebe gehaltene Rückblick stimmig: Als magisch-mystischen Grenzgang zwischen den Welten zeichnet Baar die Geschichte ihres Protagonisten, der wohl nicht zufällig den Namen des Künstlers Paul Klee trägt (dessen Engelbilder auch schon in Olga Martynovas „Der Engelherd“ eine Rolle spielten).
Die Frau, die er heiratet, liebt er nicht, für die, nach der er sich sehnt, fühlt er sich zu gering. Schatten dominieren sein Leben - die scheinbar unerreichbare Geliebte, die nach Amerika ausgewanderten Brüder, der stumpfe Vater. Und doch endet das Buch „leichtfüßig“ - mit dem „Ave verum“ von Mozart im Radio und einem Zitat von Paul Klee.
Von Karin Waldner-Petutschnig