Lisbeth Salander, das Mädchen mit dem Drachentattoo, ist der Star in Stieg Larssons "Millennium"-Trilogie. Nach dem Tod des schwedischen Autors setzt Landsmann David Lagercrantz die Geschichte fort. Im neuen Buch "Verfolgung" steigt Salander gleich zu Beginn in die Handlung ein, das war beim Vorgänger nicht der Fall. "Ich hatte ein bisschen Angst vor ihr", sagte Lagercrantz im Austria Presse Agentur.
APA: In Ihrem ersten Buch nach Stieg Larsson, "Verschwörung", huscht Lisbeth Salander wie ein Schatten durch die ersten Seiten, bis sie schließlich voll in Erscheinung tritt. "Verfolgung" beginnt mit Salander im Gefängnis - und jeder Menge Action.
David Lagercrantz: Ich will mich ja nicht wiederholen. Aber es hat sich auch meine Beziehung zu Salander verändert. Mittlerweile fließt sie durch meine Venen, es war daher leichter, mit diesem Charakter umzugehen. Sie ist der Hauptheld, der Grund für den Erfolg dieser Bücher.
APA: Es wird gemunkelt, dass Stieg Larsson Skizzen für die Fortführung seiner Serie hinterlassen hat. Wie viel davon steckt in "Verfolgung"?
Lagercrantz: Keine, das Buch beruht ausschließlich auf meinen Ideen - wie auch schon das davor. Ich habe die Figuren und das wunderbare Universum von Larsson übernommen, aber die Geschichten sind meine.
APA: Es gab viel Wirbel um Ihre Verpflichtung, die Serie weiterzuschreiben. Hat Sie das damals unter Druck gesetzt, und war das Schreiben des zweiten Romans leichter?
Lagercrantz: Beim ersten Mal war ich zu Tode verängstigt: Kann ich in seine Fußstapfen treten? Kann ich so gut wie er schreiben? Und dann war da die ganze Kontroverse, wie ich es nur wagen konnte.... Ich habe gespürt, wie die Kritiker ihre Messer schärften. Aber das hat mich nur angefeuert. Nach dem großen Erfolg und den guten Kritiken war das Schreiben der Fortsetzung ein viel größerer Spaß.
APA: "Verschwörung" war wie eine Blaupause eines Larsson-Romans. Wie unterscheidet sich davon "Verfolgung" Ihrer Meinung nach?
Lagercrantz: Ich hatte den Mut, mehr von mir selbst reinzubringen und zu kürzen. Ich litt ja unter zwei Komplexen - an einem Qualitäts- und einem Quantitätskomplex. Denn Larsson hat nicht nur gut, sondern sehr viel und komplex geschrieben. Dieses Mal war ich mutiger, wegzulassen und das Buch dichter zu machen.
APA: In Ihrem ersten Band ging es um Hacker, diesmal u.a. um Islamisten. Sind derart direkte Bezüge zum Tagesgeschehen wirklich notwendig?
Lagercrantz: Das ist meine Pflicht, weil Stieg Larsson auch sehr kontemporär geschrieben hat. Abgesehen davon passieren so viel verrückte Dinge auf der Welt, die man thematisieren muss. Zugleich ist es wichtig, nicht nur über Aktuelles zu schreiben, sonst würde das Buch schnell altern. Ich musste also auch zeitlose Themen einbringen.
APA: Sie liefern viel Background-Wissen. Haben Sie keine Sorge, dass die vielen Erklärungen das Tempo bremsen?
Lagercrantz: Ich recherchiere immer viel, das habe ich gelernt. Aber es stimmt, man sollte auch der Geschichte treu bleiben und nicht zu viel an Information einbringen. Vielleicht teile ich zu viel von meinen Recherchen mit den Lesern. Aber ich selbst mag gerne Bücher, die Hintergrundwissen vermitteln. Ich kann da nicht aus meiner Haut heraus.
APA: In "Verfolgung" gibt es einen Handlungsstrang, der mit der Vergangenheit von Lisbeth Salander verknüpft ist. Er hätte aber auch ohne Salander-Bezug erzählt werden können...
Lagercrantz: Ich finde die Geschichte und den Hintergrund von Salander faszinierend. Ich wollte da unbedingt tiefer gehen und ihre Kindheit ergründen. Es gab ja genügend offene Fragen - etwa wie und warum sie zu ihrem Drachentattoo gekommen ist. Darauf wollte ich eine Antwort geben.
APA: Salanders Schwester, der Bösewicht in "Verschwörung", kommt diesmal nicht vor. Haben Sie die Figur für den Showdown in Teil drei Ihrer Trilogie aufgehoben?
Lagercrantz: Eine gute Vermutung.
APA: Und dann? Sie haben einmal gesagt, mehr als drei Fortsetzungen möchten Sie nicht schreiben.
Lagercrantz: Na ja, ich habe mir jetzt die Tür ein wenig offen gehalten, weil es mir so viel Spaß gemacht hat, diese Romane zu schreiben. Aber was ich sicher weiß: Ich werde nach dem nächsten Buch etwas ganz anderes machen. Aber sag niemals nie. Das habe ich mittlerweile gelernt.
Interview: Wolfgang Hauptmann/APA