Der deutsch-türkische Autor Dogan Akhanli ist nach der gerichtlichen Anhörung in Madrid nun aus der Haft entlassen worden. Seine Verhaftung auf Betreiben der Türkei am Tag zuvor hatte nicht nur in Deutschland für Empörung gesorgt. Akhanli, der 1991 als politisch Verfolgter aus der Türkei floh, ist deutscher Staatsbürger.
Vorerst muss der Schriftsteller in Madrid bleiben. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel erklärte, Ankara dürfe nicht erreichen, dass Kritiker von Präsident Recep Tayyip Erdogan auch "am anderen Ende Europas" in Haft geraten. Akhanli war am Samstag wegen eines türkischen Haftbefehls an seinem Urlaubsort in Spanien festgenommen worden.
Bei dem Ersuchen der Türkei gehe es um den alten Vorwurf, dass sein Mandat 1989 an einem Raubmord auf eine Wechselstube in Istanbul beteiligt gewesen sei. Wegen dieses Vorwurfs war Akhanli, der seit seiner Flucht aus der Türkei 1991 in Deutschland lebt, schon einmal in der Türkei vor Gericht gestanden, wurde aber 2011 in Abwesenheit freigesprochen. 2013 wurde der Freispruch jedoch wieder aufgehoben und der Fall neu aufgerollt.
Akhanlis Anwalt Ilias Uyar hält das türkische Gesuch für politisch motiviert. Es sei kein Zufall, dass das Festnahmeersuchen der Türkei gerade während seines urlaubs in Granada gekommen sei. Akhanli, der ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, sei in der Vergangenheit immer wieder ohne Probleme ins Ausland gereist. Trotz der Freilassung dürfe der Schriftsteller Madrid vorerst nicht verlassen, teilte Uyar am Sonntag auf seiner Facebook-Seite mit. Dies sei bei einer gerichtlichen Anhörung entschieden worden. Er hob aber hervor: "Der Kampf hat sich gelohnt. Dogan Akhanli kommt frei."
Mit seinem Roman "Die Richter des Jüngsten Gerichts", das 1999 auf Türkisch erschien und 2007 im Klagenfurter Verlag Kitab, brach Akhanli ein türkisches Tabu: Das Buch handelt von dem Massaker durch die Osmanen an den Armeniern im Jahr 1915. Mit der Veröffentlichung des Buchs hatte der Schriftsteller den Hass türkischer Nationalisten auf sich gezogen.
Weithin werden Akhanlis Festnahme und Angriffe von Präsident Recep Tayyip Erdogan gegen den deutschen Außenminister Sigmar Gabriel als Eskalation der angespannten Beziehungen zwischen den beiden NATO-Partnern gesehen. Hintergrund: Wegen einer Bundestags-Resolution, in der die Ermordung von bis zu 1,5 Millionen Armeniern während des Ersten Weltkrieges als Völkermord bezeichnet wird, hatte die Türkei den Besuch von Bundestagsabgeordneten bei deutschen Soldaten auf dem Stützpunkt Incirlik untersagt. Daraufhin wurden die deutschen Einheiten, die den internationalen Kampf gegen die IS-Miliz unterstützen, nach Jordanien verlegt.
Die deutsch-türkischen Beziehungen sind zudem wegen der Verhaftung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel und des deutschen Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner angespannt. Umgekehrt wirft die Türkei Deutschland vor, Unterstützern des gescheiterten Militärputsches vom Sommer 2016 Schutz zu gewähren.