Neun gefeierte Romane hat Thomas Pynchon veröffentlicht, jedes Jahr wird er erneut für den Literaturnobelpreis gehandelt - aber wie der US-Autor aussieht, weiß so gut wie niemand. Auf Jahrzehnte alten Fotos sind eine dunkle Haartolle und hervorstehende Schneidezähne zu erkennen. In den 90er Jahren soll er noch einmal als weißhaariger Familienvater abgelichtet worden sein - aber war er es wirklich?

Pynchon lebe zurückgezogen mit seiner Ehefrau, einer Literaturagentin, auf der noblen New Yorker Upper West Side, heißt es. Das Paar habe ein gemeinsames Kind. Bestätigt hat Pynchon das alles nie, Interview-Anfragen lehnt er so gut wie immer ab. Zu Preis-Galas erscheint er nie, selbst wenn mal wieder eines seiner Bücher nominiert ist. Am kommenden Montag (8. Mai) wird Pynchon 80 Jahre alt, aber seit seinem bisher letzten Roman "Bleeding Edge" (2013) ist es ruhig um ihn geworden.

Geboren wurde der Schriftsteller 1937 in eine neuenglische Puritanerfamilie auf Long Island bei New York. Er studierte Physik und Literatur, diente bei der Marine und schrieb für eine Firmenzeitung. Nach einer Reihe von Kurzgeschichten schaffte er schon mit seinem ersten Roman "V." (1963) den Durchbruch und wurde rasch als einer der größten Schriftsteller der amerikanischen Gegenwartsliteratur gefeiert - doch ebenso rasch tauchte er ab. Pynchon hat Anonymität ins Extrem getrieben und trotzdem unzählige Fans weltweit.

Preisgekrönte Geschichte

Schon in "V.", der preisgekrönten Geschichte einer geheimnisvollen Frau, die immer in historisch entscheidenden Momenten auftaucht, sind seine Grundthemen zu erkennen: Die Angst vor der undurchschaubaren modernen Wirklichkeit und die Suche nach einer möglichen Ordnung für den Einzelnen im Chaos der Geschichte.

Pynchons Bandbreite ist beeindruckend: "Die Versteigerung von No. 49" (1966) wird zum Kultbuch der 68er Generation. "Die Enden der Parabel" (1973) ist eine Fabel mit unzähligen Handlungssträngen und Hunderten Figuren im Europa des Zweiten Weltkriegs, "Vineland" (1990) ein historischer Ausschnitt aus der Zeit der Wiederwahl von US-Präsident Ronald Reagan. "Mason & Dixon" (1997) wird wegen der psychologischen Tiefe als Pynchons Meisterwerk gefeiert. "Gegen den Tag" (2006) ist in der deutschen Fassung fast 1600 Seiten lang und spannt den Bogen von der Chicagoer Weltausstellung 1893 bis zu der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, "Natürliche Mängel" (2010) ist dagegen ein leicht geschriebener Detektivroman.

Pynchon spielt mit Irrungen, Wendungen und immer neuen Randfiguren und macht es dem Leser nie einfach. "Niemand weiß, was es heißt, Pynchon zu lesen", urteilte der Autor Jonathan Lethem einmal in der "New York Times". "Herauszufinden, was es heißt, Pynchon zu lesen, ist wie Pynchon zu lesen. Man ist damit niemals fertig."