Am meisten wundert es einen, dass Kurt Palm dieses Buch nicht schon vor vielen Jahren geschrieben hat. Vielleicht ist da ein verschollenes Manuskript wieder aufgetaucht. In "Strandbadrevolution" wird die Jugendzeit, genauer das Jahr 1972, heraufbeschworen, als es für einen Heranwachsenden, falls er sich ein wenig Kritikfähigkeit angeeignet hatte, hieß, eine rebellische Attitüde zu pflegen.

In der Ich-Form schreibt Palm, der in Vöcklabruck groß geworden ist, wie das damals war in der Provinz. Die Familie stellte einen größtmöglichen Schutzraum dar. Der gutmütige Vater arbeitet im Werk, die Mutter setzt sich, gestützt auf eine stets volle Tiefkühltruhe, mit vollem Einsatz und mit Leidenschaft für die Ernährung der Familie ein, der jüngere Bruder und die Schwester scheinen vollkommen in Ordnung zu sein. Alles in allem beinahe ein Idyll. In das sind auch die aus Serbien stammenden Großeltern einbezogen, der dem Alkohol nicht abgeneigte, mit dem Nachbarn in heftigem Streit liegende Opa und die herzlich geliebte Oma.

Konflikte

Die Konflikte gibt es außerhalb der Familie. Dort hat der Ich-Erzähler aus der Reihe seiner Mitschüler einen Kreis von Freunden, die als späte 68er eifrig bestrebt sind, sich politisch zu bilden und sich gegenseitig wegen der Rolle der USA in Vietnam in ihrem Antiamerikanismus zu bestärken. Camus und Sartre stehen hoch im Kurs. Das Leibblatt ist die "Volksstimme". Nicht minder wichtig als die politische Haltung ist die Vertrautheit mit der Popmusik, mit jener der Rolling Stones vor allem. Die Texte ihrer Songs dienen als Lebenshilfe. Die ist vor allem nötig, wenn es in den ersten Liebesbeziehungen - etwa zu jungen deutschen Urlauberinnen, einer burgenländischen Keramikerin und einer Holländerin, nicht so läuft wie erträumt.

Das scheint eine Jugendzeit zu sein, wie sie tausendfach erlebt worden ist - einfühlsam und mit gutem Sprachempfinden geschildert. Besonders amüsant ist über den für die damalige Zeit typischen Familienurlaub in Kroatien zu lesen. Gesprochen wird übrigens eine geglättete Umgangssprache (deutsche Leser brauchen sich nicht ausgeschlossen zu fühlen).

Bevor sich Langeweile einstellt, kommen aber Signale, dass der Rahmen des "Normalen" gesprengt werden wird. Das Schwärmen von einer Aktion der Jugendlichen, mit der im Ort ein Zeichen gegen die als hoffnungslos reaktionären Erwachsenen gesetzt werden soll, ist nicht bloß Gerede. Aus theoretisierendem Eifer wird Ernst, mit dem Endeffekt, dass sich der Radikalste unter den jungen "Revolutionären" erhängt. Aber auch in der Familie bleibt es nicht beim Guten. In vorausblickenden Passagen wird gezeigt, wie sie unter erbarmungslosen Schicksalsschlägen zugrunde geht.
Werner Thuswaldner

Kurt Palm: "Strandbadrevolution", 255 Seiten, 20,60 Euro, Verlag Deuticke, Wien 2017